Spektakuläre Aussichten auf Luthers Spuren
Wo Martin Luther vor 500 Jahren einen schweren Gang zum Wormser Reichstag vor den Kaiser tat, lässt es sich heute leichten Herzens wandern. Der Lutherweg bietet fantastische Aussichten.

Hinter dem bulligen mittelalterlichen Gautor der rheinhessischen Kleinstadt Oppenheim geht es noch eine ganze Weile bergauf durch die Felder - bis zum Krötenbrunnen, der einst einer bekannten Weinlage seinen Namen gab und heute ein paar schattige Sitzplätze zum Ausruhen bietet. Mit guten Augen sind von hier oben weit im Süden bereits die Türme des Wormser Doms zu erkennen. Im April 1521 dauerte die Reise des Reformators Martin Luther von hier bis nach Worms einen ganzen Tag lang - sein letztes Wegstück der beschwerlichen Reise zum Reichstag, wo er vor Kaiser und Fürsten seine vermeintlichen Irrlehren widerrufen sollte.

Bereits seit 2016 können sich Wanderer auf den Spuren Luthers auf einen insgesamt über 350 Kilometer langen, in 18 Tagesetappen aufgeteilten Pilgerweg zwischen der Wartburg bei Eisenach und Worms begeben. 44 Kilometer der Strecke verlaufen auf dem Gebiet des Bundeslandes Rheinland-Pfalz. Dieser Abschnitt eignet sich - unter anderem wegen der guten Bahnanbindung - auch hervorragend für kürzere Tagestouren.

Wo der Reformator schlief

Die damalige Reiseroute des Reformators ist relativ gut dokumentiert. Von Hessen kommend folgt der Weg Luther über die Kornsand-Fähre nördlich von Oppenheim. "Man kann davon ausgehen, dass die Fähre sich schon damals an derselben Stelle befunden hat", erläutert der rheinhessische Buchautor Frieder Zimmermann, der sich intensiv mit Luthers Reise zum Reichstag beschäftigt hat. In dem Ort südlich von Mainz erinnert heute eine Gedenkplakette an das Gasthaus "Zur Kanne", wo der Reformator übernachtete und ihn eine Gruppe hochrangiger Unterstützer noch überreden wollte, die Weiterfahrt abzubrechen.

Die örtliche evangelische Kirchengemeinde bietet - sobald die Pandemielage es wieder zulässt - sogar spezielle Stadtführungen auf den Spuren Luthers an. "Das ist ein kleiner Stadtspaziergang auf dem Weg, den er wahrscheinlich genommen hat", sagt Kirchenführerin Magdalena Schäffer. An der prächtigen gotischen Katharinenkirche erfahren Besucher, wie sich die Reformation in der Stadt später durchsetzte und bei einem Bildersturm viele Kunstwerke in der Kirche zerstört wurden.

Fantastische Fernblicke über Felder

Der "Lutherweg 1521" verläuft von Oppenheim an weit oberhalb der Rheinsenke und folgt dem ebenfalls gut ausgeschilderten Rheinterrassen-Weg. Er bietet fantastische Fernblicke über Felder, Weinberge und den Rhein hinüber zu den Wolkenkratzern des Frankfurter Bankenviertels und den Kuppeln des stillgelegten Atomkraftwerks Biblis über die Gipfel von Taunus und Odenwald. Der Blick schweift bis zum pfälzischen Donnersberg und den Höhen des nördlichen Pfälzerwaldes.

"Luther war mit Sicherheit nicht dort oben", sagt Frieder Zimmermann. Stattdessen habe der Wittenberger Professor mit seinem Planwagen und einigen zu seinem Schutz gestellten Reitern aller Wahrscheinlichkeit nach den direkten Weg nach Worms genommen, der weitgehend mit einer noch heute genutzten Landstraße identisch ist. Die Gemeinden entlang des Lutherwegs haben zwar allesamt mit dem Reformator unmittelbar nichts zu tun, bieten aber genug Anlass für Zwischenstopps.

Ein Hauch von Orient

So stehen in Guntersblum und Alsheim zwei der markanten rheinhessischen "Heidenturm-Kirchen" mit ihren für Deutschland völlig untypischen, fast orientalisch anmutenden Türmen. In dem winzigen Weiler Hangen-Wahlheim liegt fast direkt am Wanderweg die pittoreske Ruine einer kleinen mittelalterlichen Kirche. In Osthofen lohnt ein Abstecher auf den verwunschenen Friedhof der Bergkirche und in die am nördlichen Ortsrand gelegene KZ-Gedenkstätte.

Ganz anders als die offenen Flächen mit ihren grandiosen Aussichten wirken die Abschnitte der Strecke zwischen Guntersblum, Alsheim und Mettenheim, in denen sich die sogenannten Hohlwege im Laufe der Jahrhunderte durch Fuhrwerke und Regenwasser metertief in den Lößboden eingeschnitten haben. In dem kilometerweiten Labyrinth aus teils schluchtartigen Vertiefungen bergen sich seltene Pflanzenarten wie die Steppenkirsche oder der Elsässer Haarstrang.

Offizieller Start- oder Zielpunkt des Lutherwegs ist die Wormser Magnuskirche im Stadtzentrum neben dem romanischen Kaiserdom. Sie war einer der ersten Orte im Südwesten Deutschlands, an dem im 16. Jahrhundert im Sinne Luthers gepredigt wurde.

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