Berlin (epd). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Bundestag die geplanten Verschärfungen im Infektionsschutzgesetz verteidigt. Merkel warb bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs am Freitag in Berlin eindringlich auch für die umstrittenen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen, die künftig ab einem Inzidenzwert von 100 bundesweit gelten sollen. Die Kanzlerin sagte, sie nehme die Einwände dagegen sehr ernst. Es handele sich um einen nicht zu leugnenden Eingriff in die persönliche Freiheit.
Aber die Vorteile überwögen die Nachteile, sagte Merkel. Die dritte Welle der Pandemie sei nur zu brechen, wenn die Kontakte deutlich reduziert würden. Zwar sei es richtig, dass im Freien die Ansteckungsgefahr geringer sei. Doch bei den Ausgangsbeschränkungen gehe es nicht um die Ansteckung im Freien, sondern darum, die Mobilität zu reduzieren.
Merkel betonte, Bund, Länder und Kommunen müssten ihre Kräfte bündeln, um die dritte Welle der Pandemie endlich zu brechen. Sie habe die letzte Beratung mit den Ministerpräsidenten als eine Zäsur empfunden. Deshalb werde die "Notbremse" jetzt bundesweit umgesetzt. Sie sei "dringend", sie sei "überfällig", betonte die Kanzlerin. Die Intensivmediziner sendeten einen Notruf nach dem anderen: "Wer sind wir denn, wenn wir diese Notrufe überhören würden?", fragte Merkel.
Die große Koalition will das Infektionsschutzgesetz ändern, um dem Bund die Befugnis zu geben, ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Kontaktbeschränkungen und Schließungen anzuordnen. Derzeit fällt dies allein in die Kompetenz der Länder. Umstritten sind die Pläne, Ausgangssperren von 21 bis 5 Uhr zu verhängen. Auch dass Schulen erst ab einer Inzidenz von 200 den Präsenzbetrieb einstellen sollen, sorgt für Diskussionen.
Das Kabinett hatte die Änderungen am Mittwoch beschlossen. Mitte kommender Woche sollen sie vom Bundestag verabschiedet und vom Bundesrat gebilligt werden. Mit dem Gesetz reagiert die Bundesregierung darauf, dass die Bundesländer eine Anfang März von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene "Notbremse" nicht einheitlich und konsequent umgesetzt haben. Einzelne Länder wollen die Verschärfungen nun noch vor Inkrafttreten der Änderungen am Infektionsschutzgesetz umsetzen.