Berlin (epd). Die Bildungsgewerkschaft GEW und der Kinderschutzbund warnen vor der Benachteiligung der aktuellen Schulabschlussjahrgänge auf dem Ausbildungsmarkt. "Die Politik darf nicht zusehen, wie Jugendliche in die künftige Arbeitslosigkeit abgleiten", sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Sonntag). Es sei zu befürchten, dass wegen der Pandemie vor allem die Chancen leistungsschwächerer Schüler auf dem Ausbildungsmarkt sinken.
Insbesondere die Branchen, die oft "nicht zwingend ein super Zeugnis verlangen", steckten gerade in der Krise und hätten ihr Ausbildungsangebot deutlich reduziert. Als Beispiele nennt Hilgers die Gastronomie, den Einzelhandel oder das Friseurgewerbe. Zudem wüssten auch die Unternehmen von den Nachteilen des aktuellen Distanzlernens. "Die Arbeitgeber wissen, dass es Bildungslücken gibt."
Besonders Schüler, die einen Hauptschulabschluss oder die Fachoberschulreife anstrebten, würden bislang von der Politik bisher zu wenig beachtet, kritisierte er. Bund und Länder müssten jetzt außerbetriebliche Angebote aufstocken und vorsorgen, damit im Sommer nicht viele Jugendliche die Schule ohne Ausbildungsplatz verlassen und erst wieder nach sechs Monaten oder einem Jahr die Aussicht auf eine Ausbildung haben.
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vermisst Unterstützung für Hauptschüler. "Mich wundert, dass wir immer nur über das Abitur reden", sagte GEW-Vorstandsmitglied Ilka Hoffmann dem RND. Gerade Gymnasiasten kämen meist aus der Mittelschicht und verfügten über eine bessere Infrastruktur zum Lernen als materiell schlechter gestellte Schüler. Auch seien Online-Angebote zur Berufsorientierung kein Ersatz für Projektwochen und Praktika, sagte Hoffmann. "Viele Jugendliche sind derzeit verunsichert, welchen Beruf sie ergreifen sollen."
Laut RND bestätigte die Bundesagentur für Arbeit einen deutlichen Rückgang an verfügbaren Lehrstellen: Bis März wurden der Agentur demnach 412.600 betriebliche Ausbildungsstellen gemeldet. Das seien sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die Zahl der gemeldeten Bewerber sei zeitgleich um 12 Prozent gesunken. Eine BA-Sprecherin führte das darauf zurück, dass "die gewohnten Zugangswege wegen der Pandemie versperrt und persönliche Beratungsgespräche kaum möglich sind".