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TV-Tipp: "Familie verpflichtet" (ARD)
14.4., ARD, 20.15 Uhr
"Die gute Nachricht: Ich werde Vati. Die schlechte: Ich bin die Mutti": Allein wegen solcher Dialogsätze hat sich die Investition in diesen Film gelohnt. Die Geschichte vom jüdisch-arabischen Homosexuellenpaar, das lernen muss, sich endlich gegen die Erwartungen der Eltern durchzusetzen, ist eine originelle, gut gespielte und ausgesprochen vergnügliche Komödie.

Es gab ja schon eine Menge dieser sogenannten "Culture Clash"-Filme, die ihren Humor aus der scheinbaren Unvereinbarkeit unterschiedlicher Kulturen bezogen, aber was Lucas Banuscha und Michael Comtesse für das Regiedebüt von Hanno Olderdissen zusammengetragen hat, treibt die Gegensätze auf die Spitze. Die beiden Autoren kombinieren gleich mehrere Erzählansätze, die anderswo jeder für sich als Handlungsgerüst genügt hätten. Zentrale Figuren von "Familie verpflichtet" sind zwei schwule junge Männer: Galerist David (Max von Pufendorf) ist Jude, Sportlehrer Khaled (Omar El-Saeidi) ist Araber. Aus der Beziehung wird eine Geschichte, weil David gern heiraten möchte, doch Khaled schiebt schon seit Jahren sein längst überfälliges familiäres Coming-out vor sich her. Ständig fragt ihn sein verwitweter Vater (Ramin Yazdani), wann er endlich heiraten und ihm Enkel bescheren werde. Schwul und dann auch noch mit einem Juden liiert: Die diskriminierenden Äußerungen seiner Tante, einer veritablen Giftspritze, lassen Khaled ahnen, was ihm bei Familienfesten blühen würde. David wiederum ist mit einer gleichfalls alleinstehenden Mutter (Maren Kroymann) geschlagen, die sich ständig in sein Leben einmischt; sie hat sich zwar mit seiner Homosexualität, nicht aber mit seinem Lebensgefährten abgefunden.

Schon allein dieser Ansatz würde genug Stoff für neunzig vergnügliche Minuten bieten, zumal Banuscha und Comtesse dafür sorgen, dass die beiden Elternteile unabhängig von der Beziehung ihrer Söhne aufeinandertreffen, denn Lea Silbermann, Davids Mutter, wird zur Verwalterin der Räumlichkeiten, in denen Khaleds Vater ein Restaurant betreibt, und kündigt den Mietvertrag. Nebenbei kämpft David als Galerist nicht nur gegen die Pleite, sondern auch mit einem auf dem Dachboden hausenden schwulen Künstler, der ihn von seinen Geldsorgen befreien soll. Um die Entwicklung der verschiedenen Handlungsebenen zu forcieren, bedient sich das Drehbuch eines ebenso einfachen wie wirkungsvollen Kniffs: Die Autoren ergänzen das Protagonistenpaar um eine dritte Figur, denn eines Tages steht unangekündigt Sarah (Franziska Brandmeier) vor der Tür, eine Berliner Zufallsbekanntschaft von David. Sie hatte es sich vor gut acht Monaten in den Kopf gesetzt, ihn unter Zuhilfenahme gewisser Drogen davon zu überzeugen, dass er auch ein bisschen bi sei. Das hat tatsächlich gefruchtet, aber anders als gedacht: Sarah ist hochschwanger und braucht Davids Einwilligung, um das Kind zur Adoption freizugeben. Khaled würde das Baby jedoch gern behalten; er könnte sich endlich zu einem Bekenntnis durchringen und seinem Vater die Botschaft mit dem ersehnten Enkelkind versüßen. Was er nicht bedacht hat: David will überhaupt keine Kinder.

Es spricht für das Talent nicht nur der Autoren, sondern auch des Regiedebütanten, dass die Geschichte trotz der vielen Verwicklungen nicht überfrachtet wirkt. Natürlich sind die Figuren überzeichnet, aber in der Führung der Darsteller findet Olderdissen meist die richtige Balance, selbst wenn Kroymann hin und wieder übers Ziel hinausschießt und David gerade in den Anfangsszenen allzu unübersehbar als schwul eingeführt wird. Sehr hübsch sind neben den Dialogen auch einige Nebenfiguren, unter anderem Corny Littmann in einer Gastrolle als Kunstsammler und Nicole Marischka als Khaleds Rektorin, die den jungen Mann unbedingt im Geräteraum verführen will. Die junge Kristin Hunold (als Khaleds Schwester) hat nicht zuletzt dank wunderbarer Einzeiler ebenfalls markante Szenen. Für zusätzliche Heiterkeit sorgt die Untertitelung der arabischen Gespräche. Anders als die ungewöhnliche Musik (Jörg Gollasch), die viel zur heiteren Grundstimmung beiträgt, ist die optische Gestaltung (Carol Burandt von Kameke) eher unauffällig. Die Komödie besteht ohnehin größtenteils aus Innenaufnahmen, was nicht zuletzt eine Frage des Budgets war: Olderdissens Arbeit ist 2015 im Rahmen der Debütinitiative "Nordlichter" des NDR entstanden.