In "Gute Besserung" gibt es Tatverdächtige, weil sie handfeste Gründe hätten, die anderen allerdings bloß, weil sie seltsam wirken; das ist für Krimi-Fans neben der Besetzung meist ein untrügliches Zeichen. Trotzdem ist "Gute Besserung" im Rahmen der Reihe allenfalls Durchschnitt, und das hat vor allem mit der Regie zu tun: Dem Film fehlt jegliche Spannung, zumal sich Johannes Grieser bei seiner höhepunktarmen Inszenierung regelmäßig diverser genretypischer Standards bedient.
Die Handlung ist wie schon die letzte Episode, "Man lebt nur zweimal", im medizinischen Milieu angesiedelt. Dort ging es um Organspenden, diesmal geht’s um die Pharmawirtschaft. Zunächst hat es jedoch den Anschein, als sei der Mord aus Wut geschehen: Eigentlich wollte Susanne Oppermann (Klara Höfels) demnächst in den Ruhestand gehen und die Praxis ihrer Juniorpartnerin, Vanessa Seidel (Sophie von Kessel), übergeben, aber nun hat sie offenbar nach einem Vorwand gesucht, den Vertrag aufzulösen; die Kollegin, eine Onkologin, soll bei der Behandlung von Patienten gepfuscht haben.
Seidel hat bereits einen Kredit für die Ablöse aufgenommen. Weil eine Anstellung als Klinikärztin mit Schichtdienst für die alleinerziehende Mutter nicht möglich ist, hat sie jetzt zwar einen Haufen Schulden, aber keine Perspektive mehr. In Krimis geht es ja letztlich auch um die Frage, was Menschen zu Mördern werden lässt; die tiefe Enttäuschung der Ärztin würde eine Tat im Affekt zumindest erklären.
Allerdings gibt es noch zwei weitere Kandidaten mit ähnlich starken Motiven: Ein etwas windiger Pharma-Vertreter, von Hans-Werner Meyer als gut gebräunter Schürzenjäger alter Schule mit passendem Oberlippenbärtchen verkörpert, wäre als Wiederholungstäter wohl seinen Job losgeworden, wenn die ermordete Ärztin sein anstößiges Verhalten ihr gegenüber publik gemacht hätte; und eine Patientin (Marie Schöneburg) hat auf dem Anrufbeantworter eine unverhohlene Drohung hinterlassen, weil Oppermann mit einer Fehldiagnose das Leben ihrer Tochter gefährdet hat.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Da später auch noch der erzürnte Vater (René Schwittay) des Kindes ins Spiel kommt, haben Linette Wachow (Stefanie Stappenbeck), Otto Garber (Florian Martens) und Sebastian Klöckner (Matthi Faust) alle Hände voll zu tun, um die Aussagen zu überprüfen, zumal gleich mehrere Alibis platzen, weil die Verdächtigen nicht gleich mit der Wahrheit rausrücken. Immerhin kann Pharma-Referent Waschinski irgendwann von der Liste gestrichen werden, als ihn ein gewaltsam verabreichter Medikamentencocktail fast das Leben kostet.
Leo P. Ard alias Jürgen Pomorin, Stammautor der Reihe, hat sich zu seinem Drehbuch mutmaßlich durch einen Bottroper Pharmaskandal inspirieren lassen, der vor einigen Jahren bundesweit für Schlagzeilen gesorgt hat. Der Transfer nach Berlin hat der Geschichte jedoch nur bedingt gut getan, zumal die Handlung zu geschätzt 90 Prozent aus Dialog besteht.
Aus dem Rahmen fällt einzig eine nur dank der Musik (Robert Schulte-Hemming) einigermaßen packende Verfolgung des Kindsvaters, aber allenfalls Krimi-Neulinge werden überrascht sein, wie die Jagd endet. Sehr berührend sind dagegen die Szenen mit dem für die Fleißarbeit zuständigen Kollegen Klöckner, der regelmäßig seine Mutter (Hildegard Schroedter) im Krankenhaus besucht. Sie ist an Krebs erkrankt, weshalb der Fall dem Oberkommissar besonders nahegeht.
Amüsant sind immerhin Garbers Comedy-Momente, zumal Florian Martens stets den Eindruck erweckt, als würde er die kleinen Gags spontan aus dem Ärmel schütteln. Neben Rechtsmedizinerin Simkeit (Eva Sixt) hat es ihm diesmal Episode ein Quietsche-Entchen wie aus dem Loriot-Klassiker "Herren im Bad" angetan; das von Waschinski verschenkte Werbegeschenk eines Pharma-Unternehmens sorgt einige Male für Heiterkeit.
Halbwegs witzig ist auch die unvermeidliche Nebenebene mit Präsidiumsfaktotum Sputnik (Jaecki Schwarz): Garbers Ex-Kollege hat das Sortiment seines rollenden Kiosks um Potenzmittel erweitert; die Pillen gehen noch besser weg als seine Semmeln. Tatsächlich birgt die heitere Entwicklung dieses Erzählstrangs mehr Überraschungen als die eigentlichen Ermittlungen.