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TV-Tipp: "Zum Glück zurück"
1. April, ZDF, 20.15 Uhr
Auf den ersten Blick wirkt die Handlung von "Zurück zum Glück" wie eine Variation des belieben Komödienmusters "Familie und andere Katastrophen", zumal die Besetzung ebenfalls ins Bild passt.

Hauptfigur Anne (Diana Amft) ist eine Lehrerin, die auch im persönlichen Umfeld gern alles Kontrolle hat, und selbstredend macht sich das Drehbuch einen Spaß daraus zu beobachten, wie sie diese Kontrolle nach und nach komplett verliert: Die 15jährige Tochter Mascha ist Pubertätsrebellin, der kleine Sohn neigt zu Missgeschicken und hat ständig irgendwelche Verletzungen, und der entspannte Gatte (Maximilian Grill), der womöglich fremdgeht, hält sich aus allem raus. Als dann auch noch ihre Mutter mit Ende sechzig auf den Retro-Trip gerät, hat Anne endgültig das Gefühl, dass sich um sie herum alle Gewissheiten in Luft auflösen: Luise (Michaela May) möchte gern an die Ungebundenheit ihrer Jugendjahre anknüpfen, die sie aufgeben musste, als Anne zur Welt kam. Nun will sie das Haus verkaufen, in dem Anne und ihr Bruder Sebastian (Marc Benjamin) aufgewachsen sind, mit Ehemann Kurt (Michael Brandner) durch die Welt reisen und "das Leben genießen, jeden Tag, und keine Kompromisse machen!" Verwirrt und schockiert muss die Tochter mit ansehen, wie sich ihre Eltern in "hedonistische Hippies" verwandeln.

All’ das klingt nach einer jener Zeitvertreibskomödien, wie sie die ARD im Rahmen ihres Freitagsfilms und das ZDF immer wieder sonntags zeigen, zumal die leutselige Musik (Gerd Wilden junior), die behaglich-bunten warmen Bilder (Kamera: Vladimir Subotic), die sympathischen Münchner Impressionen sowie die eingestreuten Pop-Klassiker von Beginn an Gute-Laune-Fernsehen signalisieren; wenn Kurt seine Luise mit einem VW-Bus-Oldtimer überrascht, ertönt passend dazu "On the Road again" von Canned Heat. In der Tat wird "Zurück zum Glück" nicht die die Welt verändern; aber der Film beschert neunzig Minuten kurzweilige und ausgezeichnet gespielte Unterhaltung. Das liegt vor allem am Autor: Marc Terjung, Schöpfer der mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Sat.1-Serien "Edel & Starck" und "Danni Lowinski", hat die bekannten Versatzstücke so originell zusammengesetzt, dass die Handlung immer wieder überraschende Haken schlägt. Außerdem sind die Dialoge die reinste Freude. Das gilt nicht zuletzt für die Wortgefechte zwischen Müttern und Töchtern, wobei Diana Amft quasi eine Doppelrolle spielt, weil sie ja beides ist: Luise wirft sie vor, den jüngeren Bruder stets bevorzugt zu haben, und ihr Verhältnis zu Mascha ist ohnehin wie Feuer und Wasser; Großmutter und Enkelin verstehen sich dagegen prächtig.

Sämtliche Figuren sind mit spürbarer Liebe entworfen, aber Annes Tochter ist Terjung besonders gut gelungen, weil sein Drehbuch die pubertäre Widersprüchlichkeit sehr treffend beschreibt: Mascha ist eine gute Schülerin und engagiert sich für den Klimaschutz, ist gegenüber ihrer Mutter aber oft verletzend und behandelt ihren kleinen Bruder ziemlich mies; und das nicht nur wegen der politisch höchst unkorrekten Grobheiten, die sie ihm dauernd an den Kopf wirft. Die von Regisseur Dirk Regel ganz vorzüglich geführte Luisa Römer spielt das derart gut, dass sie der Schauspielerei unbedingt erhalten bleiben sollte, zumal es ihr gelingt, die antagonistisch angelegte Rolle trotzdem sympathisch zu gestalten. Ihre Dialoge wirken stets spontan und natürlich, und das selbst dann, als Mascha über den Klimawandel doziert; bei jungen Darstellern klingen solche Reden oft sehr auswendig gelernt.

Genauso viel Spaß wie Mascha macht ihre Großmutter, und es wäre keine Überraschung, wenn Terjung bereits beim Schreiben an Michaela May gedacht hätte, der solche Figuren ja zudem nicht fremd sind. Richtig reizvoll wird die Rolle jedoch erst durch den als Gegenentwurf konzipierten Gatten: Kurt hat sich aus einfachen Verhältnissen nach oben gearbeitet und war nie ein Hippie; er lässt sich nur deshalb von Luise anstecken, weil sie regelrecht aufblüht. Die Spielfreude, mit der May und Michael Brandner das Paar aus der Klischeekiste holen, bereitet gleichfalls ein großes Vergnügen, erst recht, als sich die beiden auch noch die passende Kleidung zulegen; fortan trägt Kurt die gleiche Fransenwildlederjacke wie Dennis Hopper in "Easy Rider", obwohl er sich eigentlich eher als Jack Nicholson sieht, und Luise fühlt sich wie Janis Joplin. Selbstverständlich kommt irgendwann nicht nur der unvermeidliche Joint ins Spiel, sondern auch ein Freigeist (Oscar Ortega Sànchez), der Sprüche aus dem Abreißkalender für Kapitalismuskritiker zum Besten gibt ("Besitz ist Ballast"), während er Kurts teuren Beaujolais in sich reinkippt.

Auch die weiteren männlichen Figuren rund um das weibliche Trio sind mehr als bloß Ergänzungsspieler: Annes Bruder ist schwul, sein Freund (Valentin Schreyer) will sesshaft werden, heiraten und Kinder bekommen, aber das geht Sebastian alles viel zu schnell. Annes Mann wiederum hat keineswegs eine Affäre, sondern ganz andere Sorgen. Als Kapiteltrenner fungieren die regelmäßigen Visiten in der Notaufnahme, weil sich Sorgenkind Lenny (Fabian Ziems, auch sehr gut) wieder mal eine Blessur zugezogen hat. Die freundschaftlichen Gespräche mit Ärztin Catrin (Sina Bianca Hentschel) am Kaffeeautomaten ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film und haben zur Folge, dass sich Anne mehr und mehr mit ihrem Leben auseinandersetzt. Spätestens jetzt zeigt sich, dass "Zum Glück zurück" durchaus Relevanz hat und neben allem Spaß auch Stoff zum Nachdenken bietet.