Marburg (epd). Die AfD ist nach Aussage des Marburger Erziehungswissenschaftlers Benno Hafeneger für die junge Generation zwar "weitgehend uninteressant", die Partei mache dennoch eine Jugendpolitik. Diese ziele auf eine Abschaffung der pluralistischen Jugendarbeit und der offenen Schulkultur in Deutschland, die "weltweit einmalig ist", sagte der emeritierte Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Der AfD passt alles nicht, was links, selbstverwaltet oder demokratisch selbstbewusst ist." Aktionen von "Fridays for Future" beispielsweise würden als "Schulschwänzer-Verhalten" angeprangert. Schule solle "entpolitisiert" werden, pluralistische Lebensweisen würden denunziert.
Hafeneger hat mit einem Forschungsteam in zwei Studien die Jugend- und Bildungspolitik der AfD untersucht. Für die erste Teilstudie haben die Wissenschaftler 700 öffentlich zugängliche parlamentarische Anträge der AfD in den Landtagen und im Bundestag herangezogen. Die AfD inszeniere sich dort als "Kümmererpartei", frage scheinbar neutral immer wieder "mit Riesen-Fragelisten" bestimmte Sachverhalte nach. Die Anfragen hätten oft einen "Subtext": So werde beispielsweise ständig nach Flüchtlingsinitiativen gefragt, wie viel deren Arbeit koste oder wie kriminell junge Flüchtlinge seien.
Oft fordere die AfD, die Förderung von kirchlichen Jugendgruppen, Naturschutzverbänden oder Menschenrechtsorganisationen zu kürzen. Teilweise werde "offen und aggressiv" verlangt, die Mittel einzustellen, etwa beim Landesjugendring in Rheinland-Pfalz. Das wiederholte Nachfragen ziele darauf, "dass in der Öffentlichkeit etwas hängenbleibt", sagte der Wissenschaftler. Die Partei nehme zum Beispiel eine bestimmte Schule in den Fokus: "Die AfD fragt dann vier, fünf mal nach, warum die einen Demokratietag veranstalten. Das wirkt einschüchternd, und das will man auch bezwecken."
In einigen Anfragen werde das Jugendbild der AfD deutlich. Sie stelle sich eine "patriotische, angepasste, stolze deutsche Jugend" vor, berichtete Hafeneger. Verlangt werde eine verstärkte Kooperation zwischen Bundeswehr und Schulen. Auch frage die Partei nach, ob Jugendliche noch das Deutschland-Lied kennen oder ob vor Schulen die Deutschland-Flagge gehisst werde.
Für die zweite Studie befragte Hafeneger mit seinem Team bundesweit Initiativen der Kinder- und Jugendarbeit. Viele Einrichtungen äußerten in den Rückmeldungen die Sorge, die AfD könne langfristig Einfluss auf die Förderpolitik in der Jugendarbeit nehmen. Jugendämter könnten die Finanzierung verweigern, wenn zu viele Anfragen seitens der AfD kommen, Verwaltungen könne bei künftigen Förderentscheidungen "das Rückgrat fehlen".
Hafeneger hat die Studien zu einem Buch "Die AfD und die Jugend - Wie die Rechtsaußenpartei die Jugend- und Bildungspolitik verändern will" zusammengefasst. Die Resonanz sei "enorm": "Es gibt einen großen Klärungsbedarf in der Jugendarbeit."