Erzbistum Köln gewährt Einblick in erstes Missbrauchsgutachten

Köln (epd). Das Erzbistum Köln hat am Donnerstag erstmals Einblick in das seit einem Jahr unter Verschluss gehaltene Missbrauchsgutachten gewährt. Darin wird der Umgang der Bistumsleitung mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Kleriker scharf kritisiert. Die Gutachter der Münchner Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl (WSW) attestieren Mitgliedern der Bistumsleitung in der Zeit von 1975 bis 2018 einen Mangel an Verantwortlichkeit und Selbstreflexion. Insgesamt sechs Verantwortlichen werfen sie Pflichtverletzungen vor. Der derzeitige Erzbischof Rainer Maria Woelki wird nicht belastet.

Pflichtverstöße sehen die Münchner Gutachter bei Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, Offizial Günter Assenmacher, dem früheren Generalvikar Norbert Feldhoff sowie dem Hamburger Erzbischof und früheren Kölner Generalvikar Stefan Heße. Schwer belastet werden vor allem die beiden verstorbenen Erzbischöfe Joseph Höffner und Joachim Meisner.

Damit kommen die Münchner Anwälte zu einem ähnlichen Ergebnis wie das vor einer Woche vom Erzbistum veröffentlichte zweite Missbrauchsgutachten der Kölner Kanzlei Gercke & Wollschläger. Dieses hatte darüber hinaus auch noch Weihbischof Ansgar Puff sowie einer Justiziarin Pflichtverstöße vorgeworfen. Woelki stellte als Konsequenz Schwaderlapp, Assenmacher und Puff von ihren Ämtern frei. Heße bot dem Papst seinen Rücktritt an.

Woelki hatte das WSW-Gutachten ein Jahr lang zurückgehalten und dies mit rechtlichen und methodischen Mängeln begründet. Experten hatten den Münchner Anwälten außerdem vorgeworfen, sie erhöben moralisch gefärbte, subjektive Anschuldigungen. Der Erzbischof hatte deshalb ein zweites Gutachten bei der Kölner Kanzlei in Auftrag gegeben. Dieses beschränke sich auf eine juristische Beurteilung, wie der Kölner Strafrechtler Björn Gercke betonte.

Das Erzbistum will das Münchner Gutachten nach wie vor nicht veröffentlichen. Es darf bis zum 1. April lediglich unter strengen Auflagen im Kölner Tagungshaus des Erzbistums eingesehen werden. Woelki war für den Verschluss des WSW-Gutachtens von Laienorganisationen, aber auch von anderen Bischöfen scharf kritisiert worden. Das Münchner Erzbistum sowie das Bistum Aachen hatten ebenfalls Gutachten bei WSW in Auftrag gegeben, die auch veröffentlicht wurden.