Einerseits genießen die Insulaner die ungewöhnliche Ruhe, andererseits treibt sie Sorge, dass durch eine andauernde touristische Flaute das Gastgewerbe Schiffbruch erleiden könnte. Dass Urlauber zwar nach Mallorca, Portugal oder Griechenland reisen dürfen, die heimischen Urlaubsorte aber geschlossen bleiben, sorgt zudem für Unverständnis.
Eine Umfrage unter den Pastorinnen und Pastoren auf den sieben Inseln von Borkum bis Wangerooge zeigt: Die Stimmung ist ambivalent. Die Seelsorger sind oft dicht dran an den Sorgen und Nöten der Insulaner. Pastorin Stefanie Lohmann von der Insel Juist beschreibt die Lage vielfach als existenzbedrohend. "Auf den Inseln hängt alles vom Tourismus ab", sagt sie. Die Gastronomen, Hoteliers, Vermieter von Gästewohnungen und nicht zuletzt die Verleiher von Fahrrädern und Strandkörben lebten von den Gästen. Zugleich fehle auf Juist die Erfahrung mit dem Virus, niemand auf der Insel sei bisher an Corona erkrankt. "Das führt zu einer gewissen Sorglosigkeit, die schnell gefährlich werden kann", befürchtet Lohmann.
Ambivalente Stimmungslage
Normalerweise sind die Inseln in den Wochen vor Ostern schon voll von Menschen. Doch derzeit streift Pastorin Konstanze Lange oft ganz allein über den Strand von Spiekeroog. "Einerseits warten die Leute auf die Urlauber, andererseits gibt es eine Furcht vor Ansteckungen." Im vergangenen Jahr hätten schon zwei Gäste eines kirchlichen Heims das Virus mit auf die Insel gebracht. Wie auf allen anderen Inseln dürfen seit Anfang November keine Gäste mehr kommen. In der Folge werde es für etliche Menschen "ungemütlich". Die Fixkosten blieben, etliche Spiekerooger hätten ihre Ferienwohnungen mit Krediten renoviert - "und die Raten müssen abgezahlt werden".
Der Geschäftsführer der Ostfriesische Inseln GmbH, Göran Sell, drängt die Politik zum Handeln. Zwar habe das Gastgewerbe auf den Inseln das vergangene Jahr, auch aufgrund von Beschränkungen bei Auslandsreisen, erfolgreich abgeschlossen. Doch nun sei die Situation annähernd umgekehrt. Dass inzwischen Reisen in den Süden möglich sind, Ferien im Inland aber nicht, führt Sell auf zu starre Regeln zurück und fordert: "Wir brauchen kreative Lösungen."
Pflichttests könnten Sicherheit schaffen
Um das Infektionsrisiko auf den Inseln zu minimieren, schlägt der auf Borkum lebende Tourismusmanager vor, dass die Fähren zu den Inseln nur Passagiere an Bord nehmen dürfen, die einen zertifizierten negativen Test vorlegen können, der nicht älter als 24 Stunden ist. Nach drei Tagen solle sich jeder Gast einem weiteren Pflichttest unterziehen. "So könnten wir eine viel größere Sicherheit schaffen, als es auf Mallorca möglich sein wird", sagte Sell.
Das Zögern der Politik sei für die Wirtschaft auf den Inseln fatal. Fast alle Tourismusbetriebe an der Küste seien im Service abhängig von Saisonarbeitskräften, die ganz überwiegend aus Rumänien und Polen kommen, erläutert Sell: "Doch die müssen nach der Einreise erst einmal für 14 Tage in Quarantäne. Das bedeutet: Selbst wenn die Politiker in der kommenden Woche noch das Beherbergungsverbot für die deutschen Urlaubsgebiete zu Ostern aufheben sollten, wäre es für viele Insulaner zu spät."
Bedrohung allgegenwärtig
Auch auf Norderney bezeichnet Pastor Stephan Bernhardt die Stimmung als "ambivalent bis bedrückend". Obwohl alle sehnlichst auf die Gäste warteten, sei die gefühlte Bedrohung durch das Virus allgegenwärtig. Im Februar wurde die Insel zu einem Corona-Hotspot: Das Virus war im Inselkrankenhaus, in einem Altenheim und in einer Arztpraxis ausgebrochen. Zeitweilig verhängten die Behörden sogar eine nächtliche Ausgangssperre.
Auf den Straßen und Stränden seien aktuell nur wenige Menschen anzutreffen. "Die Inselstadt ist wieder zu einem Dorf geworden", beschreibt Bernhardt die Lage. Alte Insulaner sagten: "So war es früher im Winter, als es noch keine durchgehende Saison gab."