Bereits das Gilgamesch-Epos, eine der frühsten schriftlich-überlieferten Geschichten, erwähnt ihren Name. Später wird Liliths Rolle von jüdischen Gelehrten, wie beispielsweise Ben Sirach, 190 n. Chr., aufgenommen. Ben Sirach beschreibt sie als die erste Frau von Adam im Paradies. Lilith weigerte sich demnach unter Adam zu liegen und nahm für sich in Anspruch, gleichberechtigt neben ihm liegen zu dürfen, da Gott sie beide aus Erde erschaffen hatte.
Als Folge dieses ersten Ehestreits flog Lilith davon und ließ Adam zurück. Verzweifelt bat Adam Gott um Hilfe. Gott schickte daraufhin drei Engel, die Lilith zur Rückkehr zu Adam bewegen sollten. Die Engel drohten ihr, wenn Sie nicht zurückkehre, würden jeden Tag hundert ihrer Kinder sterben. Keine Chance: Lilith ließ sich nicht einschüchtern und die Engel kehrten unverrichteter Dinge zurück. Weitere historische Texte, die sogenannten Apokryphen, die nicht ins Alte oder Neue Testament aufgenommen wurden, beschreiben wie Gott daraufhin für Adam eine neue Frau erschuf. Eva wurde jedoch nicht aus Erde, sondern aus Adams Rippe geformt. Damit sollte eine gefügige Frau garantiert werden, da sie aus Adam selbst hervorgekommen war.
Im Mittelalter wurde ihre Geschichte vielfältig weitererzählt, unter anderem wurde sie als die Geliebte des Erzengels Samael beschrieben, als Mutter aller Dämonen. In Texten der jüdischen Kabbala wird davor gewarnt, allein in einem Haus zu schlafen, weil für Männer die Gefahr bestünde, dass Lilith sie im Traum besuchen und zum ungewollten Samenerguss verführen werde. Heute ist diese Beschreibung für Feministinnen nur ein weiterer Versuch, Frauen für männliche Sexualtriebe verantwortlich zu machen. Das Motiv, Frauen die Schuld für gemeinsam begangene Laster zu geben, findet sich auch im Sündenfall von Eva wieder. Die Schlange bringt Eva dazu, vom Baum der Erkenntnis zu kosten. So gesehen war es die Frau, die als erstes vernunftbegabt war und nicht der Mann.
In historischen Texten wird Lilith zwar negativ beschrieben, feministische Interpretationen sehen die Figur Lilith heutzutage jedoch als eine gelehrte und starke Frau, die sich der Bevormundung Adams entzieht. Damit wird sie häufig als Gegenentwurf zu Eva betrachtet, die unterwürfig und fügsam ist. Zumindest bis Adam von Eva zur Erkenntnis geführt oder „verführt" wird.
Auf der einen Seite seien Frauen Verführerinnen, verantwortlich für die Sünden aller, die sich haben einwickeln lassen. Auf der anderen Seite, im starken Kontrast dazu, wird die jungfräuliche Maria als unerreichbares Gegenmodellzu Lilith beschrieben. Zugeschriebene weibliche Eigenschaften werden hier in gute, Zurückhaltung und Folgsamkeit, und schlechte Attribute, Leidenschaft und Sexualität, unterteilt.
Emanzipierte Frauen wollen sich nicht länger von diesen Beschreibungen einschränken lassen. Die Reinterpretationen von Lilith als selbstbewusste Frau machten sie zum Symbol für emanzipatorische Bewegungen. Deswegen wird der Name gerne zum Beispiel für feministische Cafés, Buchläden und Zeitschriften verwendet. Die Popularität Liliths entspricht also nicht ihrer Erwähnung in theologischen Schriften, sondern zeigt den Bedarf an Identifikationsfiguren für Frauen. Diese Suche nach Vorbildern in religiösen Geschichten mag zwar unchristlich wirken, spiegelt sich aber auch in Bewegungen wie Maria 2.0 wider, die die Rolle der Frauen in der Kirche neu definieren will.