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TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Vatertag auf Rügen"
26. März, ARD, 20.15 Uhr
Mandy muss ins Krankenhaus: Bei der schwangeren Praxishilfe haben in der 24. Woche die Wehen eingesetzt. Ihr Freund Kai hat davon jedoch keine Ahnung, denn er absolviert zur gleichen Zeit sein mündliches Jura-Examen und hat einen Blackout.

Filme und Serien müssen Beziehungen zu den Figuren herstellen, sonst funktionieren sie nicht. Im besten Fall entstehen auf diese Weise Freundschaften, die sich über Jahre erstrecken. Nun mag man zwar einwenden, diese sogenannten parasozialen Verhältnisse könnten nicht echt sein, schließlich seien ja auch die Rollen erfunden; aber andererseits sind Gefühle immer echt. Außerdem liegt die besondere Qualität einer Reihe wie "Praxis mit Meerblick" in der lebensnahen Schilderung. Das gilt nicht nur für die Geschichten, sondern auch für die Figuren, was wiederum viel mit Schauspiel und Regie zu tun hat. Die oblag bei "Vatertag auf Rügen" erneut Jan R?ži?ka; die Tragikomödie ist bereits seine siebte Arbeit für die 2017 gestartete Reihe. Neben den Autoren (hier wieder Marcus Hertneck) ist es natürlich auch sein Verdienst, dass Nora Kaminski für viele Zuschauer zu einer Freundin geworden ist, mit der man durch dick und dünn geht. Selbstredend sind emotionale Achterbahnfahrten kein Alleinstellungsmerkmal von "Praxis mit Meerblick", aber diesmal muss die von Tanja Wedhorn stets mit großer Authentizität verkörperte Heldin ungewohnt viele Irrungen und Wirrungen überstehen.

Der Film beginnt mit der Einlieferung von Mandy (Morgane Ferru) ins Krankenhaus: Bei der schwangeren Praxishilfe haben in der 24. Woche die Wehen eingesetzt. Ihr Freund, Noras Sohn Kai (Lukas Zumbrock), hat davon jedoch keine Ahnung, denn er absolviert zur gleichen Zeit sein mündliches Jura-Examen und hat einen Blackout. Die eigentliche Geschichte des Films bahnt sich dagegen eher beiläufig an: Am nächsten Tag ist Christi Himmelfahrt, jener Feiertag also, der von vielen Männern als Vatertag begangen wird; oder, damit auch kinderlose Kerle mitfeiern können, als Herrentag. In den Notaufnahmen der Krankenhäuser weiß man zwar, dass es mehr Arbeit geben wird als sonst, doch nun häufen sich die Vorfälle eklatant. Als Nora rausfindet, dass zwei Jungs selbstgepantschte Wodkabrause versehentlich mit giftigem Methylalkohol versetzt haben, greift sie zu einem höchst ungewöhnlichen Gegenmittel.

Im Fachjargon heißen Reihen wie "Praxis mit Meerblick", "Die Eifelpraxis" oder "Die Inselärztin", allesamt von der ARD-Tochter Degeto als Freitagsfilme in Auftrag gegeben, "Medical": Die ausnahmslos weiblichen Hauptfiguren sind im medizinischen Bereich tätig; die jeweils in sich abgeschlossene Handlung kreist um eine spezielle Herausforderung. Die zentrale Episodenrolle spielt in diesem Fall Sönke Möhring als Banker, der mit seiner Abteilung an einem Ertüchtigungsseminar teilnimmt. Da die Mitarbeiter eher Konkurrenten als Kollegen sind, tragen die Männer einen ständigen Wettbewerb aus. Weil sich Florian Becker als Chef keine Blöße geben will, hat er Amphetamine geschluckt; als er dann auch noch ordentlich bei der Wodkabrause zulangt, droht er zu erblinden. Zumindest auf der Gefühlsebene ungleich packender ist allerdings Noras Privatleben. Ex-Gatte Peer (Dirk Borchardt) hat sie schon einmal wegen einer Jüngeren verlassen. Als sie seinem beharrlichen Werben nachgibt, es noch mal miteinander zu versuchen, besteht sie auf einer Beziehung ohne Verpflichtungen. Die Vorsichtsmaßnahme erweist sich als klug, aber weh tut es trotzdem, als sie Peer zufällig auf Abwegen erwischt.

Ein weiteres Qualitätsmerkmal der guten Drehbücher ist das Geschick der Autorinnen und Autoren, auch die sonstigen Mitglieder des festen Ensembles in die Handlung zu integrieren. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, ist vermutlich jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung; das zeigt sich bei diversen anderen Reihen, in denen die entsprechenden Nebenstränge oft wie ein Beschäftigungsvorwand für die jeweiligen Schauspielerinnen und Schauspieler wirken. Dem von Patrick Heyn mit viel Feingefühl knapp am Rand der Karikatur verkörperten arroganten Klinikarzt Heckmann zum Beispiel hat Hertneck kurzerhand ein traumatisches Kindheitserlebnis verpasst, dass plausibel erklärt, warum der Doktor keinesfalls den Notdienst am "Herrentag" übernehmen will; und dann ereilt ihn ausgerechnet auf dem Weg zum Golfplatz ein Schicksalstreffer, der zu ganz ähnlichen Symptomen wie bei den Trinkern führt. Nora wiederum, eigentlich gebeutelt genug, muss auch noch damit klarkommen, dass Praxiskollege Stresow (Benjamin Grüter) aus heiterem Himmel kündigt, weil seine Freundin gern mehr Zeit mit ihm verbringen möchte. Ausgerechnet der schnöselige Heckmann sorgt dafür, dass Films trotzdem positiv endet: "Die Gegenwart ist das Beste, was wir haben. Hoffnung gibt es nur im Hier und Jetzt."