Karlsruhe (epd). Einem Berufsbetreuer kann wegen lange zurückliegender sexueller Kontakte zu unter Betreuung stehenden Frauen nicht pauschal die Eignung für seine Tätigkeit abgesprochen werden. Wurden die zehn Jahre zurückliegenden Vorfälle nicht strafrechtlich geahndet und hat der Betreuer seitdem beanstandungsfrei gearbeitet, kann seine Entlassung unbegründet sein, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss. (AZ: XII ZB 181/20)
Im Streitfall ging es um einen Berufsbetreuer, der von 2008 bis 2010 mit zwei von ihm betreuten Frauen sexuelle Kontakte unterhielt. Ein Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses wurde wegen Verjährung eingestellt.
Das Strafgesetzbuch sieht in solch einem Fall eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren vor. Grundsätzlich verjähren die Strafen fünf Jahre nach Tatende. Bis zum Alter von 30 Jahren des Opfers ruht die Verjährung.
Zuvor hatte das Landgericht Gera trotz der fehlenden strafrechtlichen Verurteilung entschieden, dass der Mann als Betreuer entlassen werden muss. Denn ein Betreuer müsse nicht nur eine fachliche Qualifikation haben, sondern auch "charakterlich" geeignet sein. Mit den sexuellen Kontakten zu den beiden Frauen habe er ohne "professionelle Distanz" die Vertrauensbeziehung "zur Befriedigung eigener Bedürfnisse" ausgenutzt, so das Gericht.
Der BGH hielt diese Entscheidung für rechtsfehlerhaft und verwies das Verfahren zurück. Dem Betreuer könne allein wegen der zehn Jahre zurückliegenden sexuellen Kontakte die persönliche Eignung nicht abgesprochen werden. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Mann seitdem fachlich korrekt und beanstandungsfrei seine Betreuungen ausübte. Eine strafrechtliche Verurteilung habe es nicht gegeben. Auch sei nicht ausreichend geprüft worden, ob der Betreuer nicht zumindest männliche Personen betreuen könne.