Staatsrechtler kritisiert Polizei bei Anti-Corona-Demonstrationen
15.03.2021
epd
epd-Gespräch: Christine Xuân Müller

Berlin (epd). Der Leipziger Staats- und Verfassungsrechtler Christoph Degenhart hat das Agieren der Polizei bei den jüngsten Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen kritisiert. Die Sicherheitskräfte seien offenbar "nicht willens oder in der Lage" gewesen, Ordnungsauflagen durchzusetzen, sagte Degenhart am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. Am vergangenen Samstag hatte die Polizei in Dresden ein rechtmäßiges Demonstrationsverbot nicht durchgesetzt. Bei einer ähnlichen Demonstration in München konnten die Sicherheitskräfte Demonstrationsauflagen wie Mindestabstände oder das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes nicht sicherstellen.

Die Verantwortung liege zwar in erster Linie "auf Seiten der Demonstranten, die sich nicht an Regeln halten", betonte Degenhart. Krawalle und Gewalt wie in Dresden seien "natürlich absolut inakzeptabel". Es sei aber zu beobachten, dass die Polizei "dort, wo sie keinen Widerstand erwartet, also bei Leuten, die im Großen und Ganzen rechtstreu sind, mit aller Konsequenz und Rigorosität vorgeht". Dagegen seien die Einsatzkräfte oft sehr zurückhaltend, "dort, wo massenhaft Rechtsbrüche und Widerstand erwartet werden", kritisierte Degenhart.

So sei die Polizei am Samstag auch in München vor Widerstand zurückgewichen. In Dresden seien die Einsatzkräfte möglicherweise schlicht überfordert gewesen. "Vielleicht haben sie das Ausmaß der Teilnahme falsch eingeschätzt, jedenfalls war die Polizei hier offenbar nicht in der Lage, die Auflagen durchzusetzen", sagte Degenhart: "Es heißt zwar keine Gleichheit im Unrecht, aber insgesamt schwächt das ungleiche Vorgehen der Polizei die Überzeugungskraft der Corona-Maßnahmen." Auch das allgemeine Rechtsbewusstsein werde damit geschwächt.

Der Verfassungsrechtler wies zudem darauf hin, dass ein Demonstrationsverbot ein erheblicher Grundrechtseingriff sei. Verbote von Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen seien aber verhältnismäßig, "wenn von vornherein mit einiger Sicherheit gesagt werden kann, dass es zu erheblichen Rechtsverstößen kommen wird, wie beispielsweise die Nichteinhaltung von Abstandsregeln". Das seien relevante Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. "Hier kann in der Tat auch präventiv ein Verbot ausgesprochen werden", betonte Degenhart.