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TV-Tipp: "Praxis mit Meerblick: Herzklopfen"
19. März, ARD, 20.15 Uhr
In seinem siebten Drehbuch für "Praxis mit Meerblick" erzählt Michael Vershinin von gleich mehreren Beziehungen, deren Status ungeklärt ist: So hat Ärztin Nora (Wedhorn) zwar dem beharrlichen Werben des Ex-Gatten Peer (Dirk Borchardt) nachgegeben, will sich aber nicht auf irgendwelche Verpflichtungen einlassen.

Beziehungskiste ist eigentlich ein seltsamer Begriff für die Gefühle zwischen zwei Menschen. Eine Kiste ist einfach, praktisch und unkompliziert, aber die aus der Mode gekommene Bezeichnung "Beziehungskiste" steht in der Regel für das Gegenteil; und deshalb passt sie als Arbeitstitel für die zehnte Episode der Rügen-Reihe mit Tanja Wedhorn im Grunde besser als "Herzklopfen", denn das bezieht sich ja eher auf eine frische Liebe. In seinem siebten Drehbuch für "Praxis mit Meerblick" erzählt Vershinin von gleich mehreren Beziehungen, deren Status ungeklärt ist: Ärztin Nora hat zwar dem beharrlichen Werben des Ex-Gatten Peer nachgegeben, will sich aber nicht auf irgendwelche Verpflichtungen einlassen. Mehr als ein Bratkartoffelverhältnis, sprich: Einladungen zum Abendessen mit anschließendem Frühstück, sei nicht drin.

"Bratkartoffelverhältnis" ist auch so ein Wort, dessen Bedeutung kaum noch jemand kennt. Der Begriff wurde vor allem in der Nachkriegszeit verwendet, als Kriegsheimkehrer und Soldatenwitwen Beziehungen ohne Trauschein eingingen, damit die Frauen auch weiterhin ihre Witwenrenten bekamen.

Nora hat natürlich andere Beweggründe: Der Stachel der Enttäuschung über den Ex, der sie einst verlassen hat, sitzt noch zu tief; das will sie nicht noch mal erleben. Der gemeinsame Sohn Kai (Lukas Zumbrock) kämpft derweil um seine Liebe zu Mandy (Morgane Ferru): Noras bunte Praxisangestellte ist in einem Plattenbau groß geworden und fühlt sich an der Seite des zukünftigen Anwalts, dem nach einem ausgezeichneten Examen eine glänzende Karriere bevorsteht, deplatziert; von ihrem ungeborenen Baby, das einen anderen Vater hat, ganz zu schweigen.

Man kann das natürlich alles als üblichen Freitagszeitvertreib abtun, der bereits mit den ersten Bildern eines Segelboots im Sonnenschein schönste Urlaubsstimmung verbreitet: ein bisschen Drama, aber bloß nicht zuviel, und am Ende ist die Welt wieder in Ordnung. Die Einschätzung ist zwar nicht völlig falsch, wird dem Film aber nicht gerecht, und das nicht allein, weil Jan R?ži?ka, ohnehin ein Garant für anspruchsvolle Unterhaltung, auch seinen sechsten Film für die Reihe auf hohem handwerklichen Niveau inszeniert hat: Die Musik (Jan Janssons) ist flott und ansprechend, die Bildgestaltung (Gunnar Fuß) ist sorgfältig, die Schauspieler sind ausnahmslos sehenswert.

Außerdem hat Vershinin die Beziehungsebene mit einer interessanten medizinischen Herausforderung kombiniert: Hotelbesitzerin Yvette Schese (Lucie Heinze) leidet unter der seltenen Stoffwechselkrankheit Morbus Fabry und hat zudem eine erhöhte Schlaganfallneigung. Sie sollte sich daher auf keinen Fall überanstrengen. Andererseits hat sie keine Lust, mit Mitte 30 in den Ruhestand zu wechseln. Ihr Ehemann Elmar (Sebastian Schwarz) ist die einzige schwache Figur des Films: Schon seine Einführung, als er eine Angestellte schikaniert, macht ihn zum Antagonisten der Geschichte, weshalb es niemanden überraschen wird, dass er eine Affäre hat.

Nebenbei sorgt Vershinin dafür, dass die weiteren Mitglieder des Ensembles mehr als bloß Randfiguren sind, zumal auch deren Beziehungsstatus der Klärung bedarf. Das gilt für Noras Lieblingspatienten Kubatsky (Michael Kind) und ihre Vermieterin Roswitha (Petra Kelling) ebenso wie für den Praxispartner (Benjamin Grüter), der sich – ähnlich wie Nora – offenbar nicht restlos auf seine Jugendliebe einlassen will.

All’ das betten Buch und Regie in einen steten Handlungsfluss, der zwar keine Stromschnellen zu bieten hat, aber auch nie träge vor sich hin dümpelt, zumal es immer wieder mit leichter Hand inszenierte Heiterkeiten gibt: Noras alter Gegenspieler, Doktor Heckmann (Patrick Heyn), wandert monologisierend durch die Klinik, weil er neuerdings einen Video-Blog betreibt, und bittet Kubatsky, dessen Darmspiegelung live übertragen zu dürfen, um seine "Follower" auf die Nützlichkeit dieser Vorsorgeuntersuchung zu informieren. Kubatsky nutzt die Gelegenheit für die Präsentation eines "Artefakts" aus Heckmanns Jugend, was wiederum überraschende Folgen für den Arzt hat.

Es ist gerade die Kombination von originellen Einfällen wie diesem mit den nie bloß behaupteten, sondern stets authentisch wirkenden emotionalen Verwicklungen, die die zehnte Episode von "Praxis mit Meerblick" zu einem rundum gelungenem Gute-Laune-Film macht; von den pfiffigen Dialogen und dem sympathischen Humor der Geschichte ganz zu schweigen.