Der Beginn des Syrienkonflikts jährt sich zum zehnten Mal. Nach einer Dekade von Gewalt, Flucht und Elend ist kein Ende des Krieges in Sicht. "Meine Befürchtung ist es, dass die internationale Gemeinschaft Syrien als unentwirrbares politisches Problem abschreibt und sich der nächsten Krise zuwendet", warnt der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, Peter Maurer.
Seit Ausbruch der Feindseligkeiten starben Hunderttausende Menschen, mehr als zwölf Millionen Kinder, Frauen und Männer sind innerhalb und außerhalb Syriens auf der Flucht. Zehntausende Menschen wurden laut UN-Ermittlern in Syrien verschleppt: Oppositionelle oder vermeintliche Oppositionelle verschwanden in den Lagern des Assad-Regimes. Doch auch Milizen und Terrorbanden entführten vermeintliche oder tatsächliche Gegner.
Nach den jüngsten Berechnungen der Vereinten Nationen brauchen mehr als 13,4 Millionen Menschen in dem arabischen Land humanitäre Hilfe, um zu überleben. Schon im September 2013 nannte der damalige UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, António Guterres, den Syrien-Konflikt die "große Tragödie des 21. Jahrhunderts".
Der 15. März 2011 gilt als der Beginn des Grauens. In den Metropolen Damaskus und Aleppo protestierten damals aufgebrachte Menschen gegen die Politik des autokratischen und korrupten Regimes von Machthaber Baschar al-Assad. Die Demonstrationen weiteten sich aus, die Absetzung des Assad-Regimes wurde verlangt. Assad reagierte mit grausamer Härte. Die Streitkräfte schossen mit Panzern, Artillerie und Kampfjets auf Zivilisten, sie setzten Giftgas ein und hungerten ganze Städte aus. Der Konflikt artete in ein unübersichtliches Gemetzel aus. Zeitweise kämpften mehr als 100 verschiedene Rebellenmilizen und Terrorgruppen sowie die Assad-Truppen und ihre Verbündeten.
Als Assad nach vier Jahren Konflikt immer stärker unter Druck geriet, engagierte sich der engste politische Verbündete Russland ab September 2015 auch militärisch für den Diktator. Das direkte Eingreifen der Truppen von Präsident Wladimir Putin markierte den Wendepunkt. Mit rücksichtsloser russischer Hilfe, vor allem durch Putins Luftwaffe, konnten Assads Einheiten nach und nach die meisten verlorenen Gebiete zurückerobern.
Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser
Dabei schossen die grausamen Partner gezielt auf Krankenhäuser, Schulen und andere Einrichtungen und töteten unschuldige Zivilisten. Diese Kriegsverbrechen hatten bislang keine juristischen Konsequenzen für die Verantwortlichen. Der Vorsitzende der UN-Untersuchungskommission zu Syrien, Paulo Sérgio Pinheiro, verlangt seit Jahren, die Täter zu bestrafen - seine Forderungen verhallen jedoch. Immerhin kamen im weltweit ersten Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Syrien zwei Ex-Geheimdienstfunktionäre in Koblenz vor Gericht. Einer der der beiden wurde im Februar zu einer Haftstrafe wegen Beihilfe zu Folter verurteilt.
Als skrupellose Assad-Unterstützer taten sich ebenso iranische Kräfte und Milizionäre aus arabischen Ländern wie dem Libanon hervor. Truppen des nördlichen Nachbarlandes Türkei marschierten in Syrien ein, um die Kurden zu bekämpfen. Die USA und andere westliche Länder entsandten Spezialkräfte. Sie wollten vor allem die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) zerschlagen, die einige Teile Syriens beherrschte.
Schützende Hand Russlands über Assad
Alle Versuche der Vereinten Nationen scheiterten, den Konflikt umfassend am Verhandlungstisch zu lösen. Im mächtigsten UN-Gremium, dem Sicherheitsrat, hält Russland die schützende Hand über Assad. Die Russen verhindern mit ihrem Veto jegliche UN-Sanktionen gegen das Regime in Damaskus. Allerdings stimmten sie der Einsetzung eines Verfassungskomitees für Syrien zu. Das aus Syrern bestehende Gremium könnte die Tür zu einem "politischen Prozess" für das Bürgerkriegsland aufstoßen, erklärte der UN-Sondergesandte Geir Pedersen vor der ersten Sitzung 2019.
Das Komitee besteht aus Mitgliedern der Assad-Regierung, Oppositionellen und Vertretern die Zivilgesellschaft. Doch bislang hat der Ausschuss keine Impulse für eine friedliche Lösung des Konflikts gegeben. Zuletzt schien es so, als könnte der UN-Sondergesandte Pedersen entnervt aufgeben - seine drei Vorgänger hatten ebenso nichts bewirkt. Alle drei traten zurück.