Berlin (epd). Die geplante Einbindung der Hausärzte ab April in die Corona-Impfstrategie sorgt weiter für Diskussionen. Den Medizinern geht das nicht schnell genug, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sorgt sich indes um die Einhaltung der Impfpriorisierung in den Praxen. Die Reihenfolge dürfe nicht durch einen bewusst flexibleren Umgang der Hausärzte aufgeweicht werden, warnte Giffey am Donnerstag. Ärztevertreter kritisierten den Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz, weiter vorrangig die Impfzentren mit Vakzinen zu versorgen - auf Kosten der impfbereiten Haus- und Fachärzte.
Giffey betonte: "Ältere Menschen müssen bei der Impfung ganz besonders im Blick bleiben, weil sie die am stärksten gefährdete Gruppe sind - so sieht es auch die Impfverordnung vor". Diese Priorisierung habe sich bereits jetzt bewährt, denn die schnelle Impfung in Pflegeeinrichtungen zeige Wirkung.
Auch der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut, Thomas Mertens, wies auf mögliche schwerwiegende Folgen bis zu Todesfällen hin, falls die Priorisierung zu schnell aufgehoben werde. Sachsen hatte am Dienstag angekündigt, wegen hoher Corona-Infektionszahlen im Vogtlandkreis dort die Prioritätenliste bei Impfungen aufzuheben.
Der Deutsche Hausärzteverband machte unterdessen Druck, den Impfstart in den Praxen vorzuziehen. Jeder Tag zähle, auch weil im Sommer die Impfbereitschaft abflauen könne, sagte Verbandschef Ulrich Weigeldt dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Warum bis zum April warten? Wir stehen bereit", sagte der Repräsentant von mehr als 30.000 Hausärztinnen und -ärzten.
Weigeldt begrüßte es als wichtigen Schritt, dass den Praxen bei der umstrittenen Priorisierung ein flexiblerer Umgang ermöglicht werden soll. Die Priorisierung sollte eine Leitlinie zur Unterstützung von Ärztinnen und Ärzte sein, "aber ein starres Festhalten an ihr ist einfach nicht möglich", sagte er. Die Hausärzte würden ihre Patienten kennen und wüssten sehr gut, wer vorrangig immunisiert werden müsse.
Weigeldt rügte, dass vier Millionen Impfdosen in Kühlschränken gelagert werden, um die Impfzentren am Laufen zu halten, anstatt dafür zu sorgen, dass viele Menschen in kurzer Zeit geimpft werden. Weigeldt: "Das Ziel scheint völlig aus dem Auge verloren zu sein", sagte er dem Fernsehsender "Phoenix". Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Ministerpräsidentenkonferenz darüber debattiere, wie Verteilung von Impfstoffen stattfinden soll, anstatt mit den Ärztinnen und Ärzten direkt in Kontakt zu treten.
Doch dass der Termin Mitte April gehalten werden kann, daran gibt es bereits jetzt Zweifel. Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), sagte im ZDF-"Morgenmagazin", er erwarte den Impfstart in den Praxen frühestens im Mai. Die Ärze würden vorher "schlicht und ergreifend nicht genug Impfstoff bekommen", sagte Gassen. Die Politik wolle zuerst die Impfzentren mit Impfstoffen ausstatten und deren Finanzierung absichern, danach folgten die Praxen mit den übriggebliebenen Impfdosen. Das sei ein Unding. Der KBV-Chef geht davon aus, dass "wir auf diese Ressourcen wohl dann erst im Mai zurückgreifen können und es bei dem bisherigen Impftempo bleiben dürfte".
Das will auch der Virchowbund nicht hinnehmen. Der Chef des Ärzteverbandes, Dirk Heinrich, forderte, die Mengen des gelieferten Impfstoffes müssten so hoch sein, "dass in den Praxen faktisch nicht mehr priorisiert werden muss". Lieferengpässe und überbordende Impfdokumentation könnten dagegen das Impftempo drosseln, warnte er: "Die Regierenden haben es in der Hand, ob in den Praxen mit voller Kapazität geimpft werden kann, oder ob wir uns in bürokratischen Details verlieren."