Virologe Streeck plädiert für mehr Auftragsforschung zu Corona
Mehr Forschung zur Corona-Pandemie - dafür plädiert der Bonner Virologe Streeck. Luxemburger Wissenschaftler haben bereits erste Erkenntnisse zu gefährdeten Berufsgruppen aus Massentests gezogen.

Saarbrücken (epd). Der Bonner Virologe Hendrik Streeck plädiert für mehr Auftragsforschung zu Corona-Infektionen. "Überraschenderweise wissen wir seit fast einem Jahr Pandemie wenig über das Infektionsgeschehen in Deutschland", sagte er am Mittwoch in einer digitalen Sitzung des saarländischen Gesundheitsausschusses. "Wo stecken sich die Menschen denn gerade gehäuft an?" Was sich in Computermodellen zur Wirksamkeit von Lockdowns und Maßnahmen errechnen lasse, sei eine Ahnung und "weder wissenschaftlich belegt noch empirisch erforscht".

"Wenn man sicher wüsste, dass in bestimmten Bereichen gehäuft Infektionen stattfinden, könnte man dort gezielt gegensteuern", sagte der Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Es gehe nicht ums Experimentieren, sondern darum, Wissen zu generieren. "So wie wir jetzt wissen, dass der Impfstoff wirkt, hätte man testen können, ob Konzepte wirken", sagte Streeck. "Dann könnten wir jetzt vielmehr mit einem Skalpell arbeiten, anstatt mit dem Hammer draufzuhauen."

Unterdessen stellten Luxemburger Wissenschaftler Erkenntnisse aus ihren Massentests vom 27. Mai bis 15. September 2020 vor. Demnach haben Luxemburger in der Dienstleistungsbranche eine um 11,4 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit positiv auf das Coronavirus getestet zu werden. In der Gastronomie liege der Wert um 8,6 Prozent höher, im Baugewerbe um 6,6 Prozent. Allerdings habe das Risiko bei Polizisten oder Apothekern entgegen der Erwartung nicht höher gelegen, erklärte der Chef des Instituts für integrative molekulare Biomedizin der Universität Luxemburg, Paul Wilmes.

Auch spielt das Einkommen nach den luxemburgischen Erkenntnissen eine Rolle. So sei die Wahrscheinlichkeit bei Menschen mit einem Jahreseinkommen unter 30.000 Euro höher, positiv auf das Virus getestet zu werden, betonte der Forscher. Interessant sei auch, dass Menschen mit Symptomen genauso ansteckend seien wie solche ohne Symptome beziehungsweise vor Ausbildung von Symptomen.

Mit den Massentests konnte Luxemburg den Angaben zufolge rund zehn Prozent der Bevölkerung pro Woche testen. Die Massentests hätten 26 Prozent aller positiven Tests ausgemacht. Dadurch habe Luxemburg bereits im Sommer 2020 eine zweite Infektionswelle festgestellt, erklärte Wilmes. "Die Infektionsketten konnten frühzeitig durchbrochen werden." So sei Simulationen zufolge eine um 43 Prozent höhere Zahl an Corona-Fällen verhindert worden. Der Chef des Luxemburger Gesundheitsinstituts, Ulf Nehrbass, betonte allerdings auch, dass Luxemburg ein "sehr kleines Land" sei und deswegen unklar sei, wie eine solche Strategie in Deutschland funktionieren würde.

Unterdessen warnte der Virologe Jürgen Rissland davor, die Laientests auf das Coronavirus als Lösung für Öffnungen zu sehen. Diese selbst anwendbaren Tests böten eine Unterstützung bei der eigenen Risikobeurteilung und könnten bei der Entscheidung über mögliche Treffen mit einem anderen Haushalt helfen, sagte der leitende Oberarzt am Institut für Virologie des Universitätsklinikum des Saarlandes. Man müsse sich aber klar sein, "dass diese privat durchgeführten Teste für den öffentlichen Raum nur schwer anerkennbar sind". Denn es gebe bisher keine Möglichkeit einen Nachweis zu führen, eine Bestätigung zu bekommen.