Karlsruhe (epd). Schwangere können bei einer begonnenen Geburt mit ihrem kurzfristig geäußerten Wunsch nach einem Kaiserschnitt nicht die höchstmögliche ärztliche personelle Besetzung verlangen. Es liegt nicht automatisch ein Organisationsverschulden der Klinik vor, wenn nachts zunächst nur eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme als Geburtshelfer zuständig sind, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil. (AZ: VI ZR 60/20) Bei einem Tod der Frau müssen die Angehörigen für eine Arzthaftung belegen, dass eine unzureichende ärztliche Betreuung tatsächlich auf fehlendes Personal zurückzuführen ist, so die Karlsruher Richter.
Im konkreten Fall ging es um den Tod einer werdenden Mutter in einer westfälischen katholischen Frauenklinik. Mit dem Beginn der Geburt wünschte sie nachts einen Kaiserschnitt. Dem kamen die Ärzte nach einem Aufklärungsgespräch nach.
Doch mit der Geburt traten massive Blutungen bei der Mutter auf, die die Oberärztin und der Assistenzarzt nicht stoppen konnten. Zwischenzeitlich musste die Oberärztin für eine Viertelstunde eine weitere Risikogeburt betreuen. Auch der später hinzugezogene Chefarzt sowie ein Gefäßchirurg konnten den Tod der Frau nicht verhindern.
Der Ehemann und die beiden hinterbliebenen Kinder verlangten eine Entschädigung unter anderem für Unterhalt sowie Schmerzensgeld.
Das Oberlandesgericht Hamm gab ihnen noch recht. Gerade bei einem medizinisch nicht erforderlichen Wunsch-Kaiserschnitt, insbesondere ab Geburtsbeginn, müssten alle personellen und organisatorischen Ressourcen sichergestellt sein, befand das Gericht. Hier habe die Oberärztin für 14 Minuten sogar eine weitere Risikogeburt betreut. Weitere Ärzte seien erst später hinzugezogen worden.
Doch das reicht für eine Arzthaftung nicht aus, urteilte nun der BGH, der das Verfahren an das OLG zurückverwies. Nachts, außerhalb der Kernarbeitszeit, müssten nicht sämtliche personelle und organisatorische Ressourcen bereitstehen, betonte das Gericht.
Hier sei zudem nicht klar, worin genau der Behandlungsfehler bestand. Nur weil eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme zunächst die Schwangere betreut hatten, belege das noch nicht, dass mit mehr Fachpersonal der Tod hätte verhindert werden können. Es komme für ein Organisationsverschulden der Klinik nicht darauf an, ob von vornherein weitere Ärzte bereitstanden, sondern vielmehr, wie schnell das Geburtshelferteam verstärkt werden konnte, so der BGH.
Auch könne den Ärzten nach den bisherigen Feststellungen nicht vorgeworfen werden, dass sie auf den Kaiserschnitt-Wunsch der Frau eingegangen sind. Das sei zulässig, außer, medizinische Gründe stünden dem entgegen.