Berlin (epd). "Fast am Ziel, und dann zurück zum Anfang müssen." Mit diesen Worten beschreibt eine neue Studie den Gemütszustand junger Menschen in der Corona-Krise. Wegen der Pandemie müssten Jugendliche und junge Erwachsene zuhause bleiben, statt Spaß mit Freunden zu haben, betonte der Trend- und Jugendforscher Simon Schnetzer am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung seiner Studie "Junge Deutsche 2021". Statt durchstarten zu können, würden viele in ein Karriereloch fallen.
Die mit der Corona-Krise verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Einschnitte "verändern die Lebenswelt und Biografien der jungen Generation grundlegend und nachhaltig", sagte Schnetzer und sprach deshalb von einer "Generation Reset".
Zugleich verhalte sich die große Mehrheit der jungen Menschen solidarisch in der Corona-Pandemie. So gaben in einer Repräsentativbefragung für die Studie 73 Prozent an, die AHA-Regeln einzuhalten, auf Familie und Freunde Rücksicht zu nehmen (72 Prozent) und auf Feiern oder Partys zu verzichten (66 Prozent). Bundesweit wurden dafür 1.062 Menschen im Alter zwischen 14 und 39 Jahren im Herbst 2020 online befragt.
Freiwillig oder gezwungenermaßen prägt die Familie somit am stärksten die aktuelle Lebenssituation junger Menschen, wie 69 Prozent der Befragten angaben. Danach folgten mit 67 Prozent das Smartphone, die Corona-Krise (58), Leistungsdruck (51), Heimatverbundenheit (47) und nachhaltige Lebensweise (46). Zugleich gaben fast 30 Prozent an, dass sich ihre schulische, berufliche und finanzielle Situation verschlechtert habe.
Schnetzer erwartet deshalb, dass "Vertrauen" künftig eines der wichtigsten Themen für junge Deutsche sein werde. "Die Herausforderung wird es sein, Vertrauen wieder aufzubauen: zu Freunden, in Teams, zur Politik und in die Zukunft", sagte er. Die "Generation Reset" müsse nach der Corona-Krise in vielem neu beginnen. Dafür benötigten junge Menschen Perspektiven und Unterstützung vor allem in den Übergangsphasen von Schule zu Studium oder Beruf.
Der Zukunftsforscher Klaus Hurrelmann, der für die Studie beratend tätig war, sprach sich dafür aus, das Wahlalter auf 16 oder sogar 14 Jahre zu senken, um junge Menschen an politischer Mitgestaltung zu beteiligen. In Deutschland seien junge Menschen gesetzlich im Alter von 14 Jahren religionsmündig, begründete Hurrelmann. Das sollte auch für das Wahlalter gelten.
Weil junge Menschen durch die Corona-Krise auf viele soziale Erfahrungen verzichten mussten, sollten ihnen nun mehr Möglichkeiten für Eigeninitiativen gegeben werden. Nötig seien Initiativen "wo Schüler selbst aktiv werden, wie Lösungen aussehen können", so Hurrelmann. Insbesondere Schulen sollten dafür Rahmenbedingungen schaffen. Projekte für Eigeninitiativen könnten auch im Hybrid- oder Fernunterricht entstehen, betonte der Sozialwissenschaftler.
Als weitere politische Forderungen leitete Schnetzer aus der Studie ab, dass Gesellschaft, Politik und Wirtschaft "jungen Menschen mehr zuhören müssen, um sie nicht zu verlieren". Sie sollten ihre Bedürfnisse, Ängste und Forderungen ernst nehmen. "Schließlich hängt von deren Start ins Berufsleben ab, in welchem Maß sie später zu den sozialen Systemen der Sicherung beitragen können", so Schnetzer.