Bonn (epd). Orchestermusikerinnen machen deutlich seltener Karriere als ihre männlichen Kollegen. Das ergab eine am Dienstag in Bonn veröffentlichte Studie des Deutschen Musikinformationszentrums (miz). In den 129 öffentlich finanzierten deutschen Orchestern seien durchschnittlich vier von zehn Stellen mit Frauen besetzt, heißt es in der Orchestererhebung "Am Pult der Zeit!?". Je höher jedoch die Dienstposition und das Renommee des Orchesters, desto niedriger sei der Anteil der Musikerinnen.
Es handele sich um die erste Studie mit detaillierten Informationen über die Zusammensetzung deutscher Orchester nach Geschlechtern, erklärte miz-Leiter Stephan Schulmeistrat. "Wir können mit diesen Angaben erstmals verlässliche Aussagen zu diesem Thema machen." Wie die Ergebnisse zeigten, sei der Anteil zwischen Frauen und Männern in den niedrigeren Dienststellungen sogar annähernd gleich. Auf den höheren Posten hingegen, wie etwa Konzertmeister-, Stimmführer und Solopositionen, seien Frauen mit 28,4 Prozent unterrepräsentiert. Noch größer sei der Abstand auf der Karriereleiter in den 21 höchstdotierten Orchestern. Demnach sind dort mit knapp 22 Prozent noch nicht einmal ein Viertel aller Spitzenpositionen mit Musikerinnen besetzt.
Allerdings deuten die Zahlen auch darauf hin, dass der Frauenanteil in den Orchestern perspektivisch zunimmt. Eine Sonderauswertung unter 116 Klangkörpern ergebe, dass der Anteil von Musikerinnen und Musikern bis zum Alter von 45 Jahren annähernd paritätisch sei, sagte miz-Mitarbeiter Timo Varelmann. In der Altersgruppe über 45 Jahren seien hingegen nur ein Drittel der Orchestermitglieder weiblich.
"Die Zukunft der Orchester wird mehrheitlich weiblich sein", stellte der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung, Gerald Mertens, fest. In der Altersgruppe von 35 bis 45 Jahren gebe es in einigen Orchestern sogar schon mehr Frauen als Männer. Allerdings dauere es nach seiner Einschätzung noch einige Jahre, bis sich das auch in den Führungspositionen bemerkbar mache. Ein Problem für Orchestermusikerinnen sei zudem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. "Da muss noch etwas geschehen", sagte Mertens.
Es sei mehr Familienfreundlichkeit bei den Orchestern notwendig, räumte auch der Geschäftsführende Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Marc Grandmontagne, ein. Da Bühnenkünstler vor allem abends und am Wochenende arbeiteten, brauche es entsprechende Kinderbetreuungsangebote und eine Flexibilisierung der arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen. Das vom Deutschen Musikrat getragene miz hatte die Umfrage in Zusammenarbeit mit der Deutschen Orchestervereinigung und dem Deutsche Bühnenverein erhoben. 2020 waren 9.884 Musikerinnen und Musiker in den 129 öffentlich finanzierten Orchestern in Deutschland in Teil- oder Vollzeit beschäftigt.