Professor: Betriebsärzte sind im "Setting Impfen" nicht vorgesehen
28.02.2021
epd
epd-Gespräch: Dirk Baas

Frankfurt a.M. (epd). Der Gesundheitsökonom Volker Nürnberg fordert die Bundesregierung auf, Betriebsärztinnen und -ärzte in die Impfstrategie einzubinden. "In allen offiziellen Planungen kommt das 'Setting Betrieb' nicht vor. Das ist fahrlässig", sagte der Professor dem Evangelischen Pressedienst (epd). Er sei überzeugt, dass sich die Impfquoten mit der Unterstützung der 12.000 Mediziner in den Unternehmen deutlich steigern ließe - spätestens dann, wenn auch die Hausärztinnen und -ärzte gegen Corona impfen sollen.

Laut dem Professor für betriebliches Gesundheitsmanagement an der Allensbach Hochschule in Konstanz und externen Berater des Gemeinsamen Bundesausschusses muss die Regierung ihre Strategie überdenken. Die meisten Deutschen gingen noch in ihre Arbeitsstätten, "und wenn manche Menschen nicht zur Impfung gehen, muss die Impfung zu ihnen kommen". Und dabei könnten Betriebsärzte eine entscheidende Rolle spielen.

Die flächendeckend vorhandene Kompetenz müsse genutzt werden, sagte Nürnberg. In der Betriebsmedizin sei die nötige Infrastruktur oft schon vorhanden, also Ärzte, medizinisches Personal, Räume und Logistik: "Bei Grippeschutzimpfungen hat sich das bewährt."

Nürnberg verwies auf darauf, dass Werksärzte im Normalfall nicht in die Regelversorgung von Patienten eingriffen. "Sie haben einen etwas exotischen Status, verschreiben ja auch keine Medikamente." Dennoch empfiehlt der Experte, die Unternehmen sollten parallel zu den Haus- und niedergelassenen Ärzten aktiv werden. Die Impfzentren würden damit entlastet und neue Zielgruppen für die Immunisierung gezielt angesprochen.

In der Verteilung, Lieferung, Lagerung, Kühlung der Impfstoffe liege zwar eine Herausforderung. "Aber all das lässt sich organisieren. Die Firmen benötigen natürlich Unterstützung und Rechtssicherheit." Und: Die Firmen, die mit ihren Ärztinnen und Ärzten beim Impfen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe erfüllen, müssten die Kosten erstattet bekommen.

Eine erneute Änderung der Priorisierung, wie sie jetzt für Kita-Personal und Grundschullehrerinnen beschlossen wurde, sei nicht erforderlich, so der Forscher. "Zunächst sollten, wie von der Bundesregierung vorgesehen, die ersten beiden Prioritätsstufen geimpft werden, danach könnte aber das Rollout in den Firmen erfolgen."

Die aktuelle Priorisierung der ersten beiden Gruppen sei ökonomisch und ethisch durchdacht und sollte nicht gekippt werden. "Aber wir bieten unsere Mitarbeit für die Zeit danach an. Wir reden über den Herbst", so Nürnberg. Dann sollte man die Betriebsmediziner mit einbinden.