Wenn ein Sender auf dem internationalen Markt die Rechte etwa an einer Quizshow kauft, bekommt er in der Regel auch eine sogenannte Bibel, in denen die konkreten Produktionsbedingungen festgelegt sind; deshalb gleichen sich die verschiedenen Versionen von "Wer wird Millionär?" wie ein Ei dem anderen. Für die ZDF-Reihen "Inga Lindström" und "Rosamunde Pilcher" muss es etwas Ähnliches geben, schließlich sehen die Filme ebenfalls immer gleich aus. Das gilt auch für die dramaturgischen Konzepte: Viel zu oft muss sich die Heldin zwischen zwei Männern entscheiden; und wenn sich der Mann und die Frau, die sich die ganze Zeit bissige Wortgefechte geliefert haben, endlich küssen, kann man drauf wetten, dass ungefähr sechzig Filmminuten verstrichen sind und wie aufs Stichwort der eigentliche Freund oder Verlobte der Heldin auftaucht.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Bei der Lindström-Romanze "Lilith und die Sache mit den Männern" ist das nicht anders. Dass der Film trotzdem ein kurzweiliges Vergnügen darstellt, liegt an einer Geschichte, die das "Herzkino" zwar nicht neu erfindet, die bekannten Versatzstücken aber immerhin kurzweilig zusammensetzt. Beim Ensemble gibt es keinerlei Ausfälle, zumal es eine Freude ist, Sinja Dieks zuzuschauen. Sie spielt die frisch gebackene und frisch verlobte Juristin Lilith Larsson, die auf ihre Heimatinsel St. Anna zurückkehrt, um ihre Familie darüber zu informieren, dass sie heiraten und weiterhin in Stockholm leben wird. Das ist gar nicht so einfach, denn die Larssons – Großmutter Iris (Lisa Kreuzer), Mutter Rhea (Carin C. Tietze) und die hochschwangere Tante Diana (Julia Malik) – sind ein verschworener Haufen. Die drei Frauen haben Lilith, die ihre gesamte Kindheit auf die Heimkehr ihres Vaters gewartet hat, stets zu verstehen gegeben, dass die Welt ohne Männer besser dran wäre. Entsprechende Anschauungsbeispiele liefert Tag für Tag der mit Ausnahme eines kleinen Mädchens nur aus Kerlen bestehende Blomquist-Clan. Zwischen den beiden Familien herrscht eine Art Erzfeindschaft, die eskaliert, als der alte Patriarch stirbt und das vermeintlich auf Lebenszeit verpachtete Grundstück, auf dem Iris seit Jahrzehnten eine Feriensiedlung betreibt, an die Blomquists zurückfällt. Lilith soll die Larssons juristisch vertreten. Gegnerischer Anwalt ist ausgerechnet ihr Vater (Jochen Horst). Dass sie großen Gefallen an Magnus Blomquist (Christian Clauß) findet, mit dem sie seit der Schulzeit noch eine Rechnung offen hat, macht die Sache nicht einfacher; erst recht, als sich rausstellt, dass der junge Archäologe, der auf dem Meeresgrund vor der Küste uralte Siedlungsüberreste entdeckt hat, seinen geplanten Museumspark ausgerechnet auf dem Gelände des Ferienparks errichten soll.
Wie gut die überwiegend als Autorin tätige Regisseurin Stefanie Sycholt, deren Film auf ihrem eigenen Drehbuch basiert, die Schauspieler geführt hat, zeigt sich nicht zuletzt an der jungen Antonia von Schnurbein, die als Magnus’ kleine Tochter Marie ganz formidabel ist. Ansonsten kommen die Blomquists (darunter Peter Davor als neuer Clanchef) mit Ausnahme von Magnus etwas kurz, weil sich der Film vor allem auf die Frauen konzentriert. Mit Hilfe einer amüsanten Parallelmontage, die die Familien in ihrer jeweils eigenen Sauna zeigt, sorgt Sycholt immerhin dafür, dass sich beide Seiten in ihrer Voreingenommenheit nichts schenken. Die von Dieks und Clauß sehr schön gespielte "Romeo und Julia"-Romanze ist dagegen ebenso wenig überraschend wie die Tatsache, dass Liliths Verlobter trotz seines imposanten Cabriolet-Oldtimers keine Chance gegen Magnus hat: Carl (Stephan Bürgi) ist ihr früherer Jura-Professor und entsprechend älter. "Herzkino"-Novizinnen hilft Sycholt mit ein bisschen Küchenpsychologie auf die Sprünge: Carl pflegt Lilith "Täubchen" zu nennen; ebenso wie ihr Vater Rudy.
Von solchen allzu schlichten Ausrutschern abgesehen ist "Lilith und die Sache mit den Männern" durchaus sehenswert. Der flotte Auftakt mit dem Schlagabtausch auf der Fähre, in dessen Verlauf sich die anfängliche Sympathie zwischen Lilith und Magnus in offene Ablehnung verwandelt, und die Ankunft auf St. Anna, als Sycholt das Eintreffen der beiden Clans wie eine Bahnhofsszene aus einem Western inszeniert, sind ein Versprechen, das der Film tatsächlich hält. Die weiblichen Figuren mögen in ihrem Männerhass reichlich eindimensional wirken, aber das ändert sich, als Sycholt offenbart, warum sie so geworden sind. Dass die Trennung von Rudy in Wirklichkeit anders verlaufen ist, als Rhea ihrer Tochter erzählt hat, gehört ebenso zur Sonntagsfilmbibel wie der unverzichtbare Satz "Hör auf dein Herz". Davon abgesehen ergeben sich auf diese Weise zusätzliche Verwicklungen und nette Nebenstränge, selbst wenn nicht schwer zu erahnen ist, wer denn wohl der Vater von Dianas Baby ist und welche Rolle sie im Zwist zwischen den beiden Familien spielt. Der Rest des Films erfreut sich an malerischen Bildern, roten Holzhäusern, einem immer wieder mal unverhofft auftauchenden Elch; und natürlich an Sinja Dieks, deren einfache, aber schöne Kleider sie noch besser aussehen lassen.