Berlin (epd). Der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Ulrich Hegerl, fordert eine systematische Erfassung der psychischen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen. "Derartige unerwünschte Folgen für Menschen mit psychischen oder anderen Erkrankungen müssen ebenso sorgfältig erfasst werden wie die Zahlen der Corona-Statistiken", sagte Hegerl den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch).
"Nur dann können wir das an Leid und Tod, was wir verhindern, mit dem ins Verhältnis setzen, was wir verursachen." Notwendig wäre nach Ansicht Hegerl für die Diskussion weiterer Corona-Maßnahmen ein engmaschig tagendes Expertengremium mit Ärzten aus verschiedenen Fachbereichen sowie Psychologen, Soziologen, Epidemiologen und Gesundheitspolitkern, das in systematischer Weise eine Nutzen-Risikoabschätzung vornimmt.
Der Jugendpsychiater Paul Plener bekräftigte den Zeitungen zufolge, dass Schulöffnungen unter strengen Corona-Maßnahmen dringend geboten seien. "Je länger die Pandemie dauert, umso weniger können wir uns allein an den Infektionszahlen orientieren, sondern müssen auch die langfristigen Folgen betrachten", sagte der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien. "Auch psychische Erkrankungen und durch die Pandemie verursachte geringere Bildungschancen sind lebensverkürzend."
Er habe eine Zunahme von Fällen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Essstörungen und schweren Depressionen mit Suizidversuchen beobachtet, sagte Plener. Besonders betroffen von psychischen Erkrankungen in der Pandemie sei die Altersgruppe der 15- bis 25-Jährigen. In dieser Phase seien soziale Kontakte mit Gleichaltrigen entwicklungspsychologisch besonders wichtig.