Sozialgericht: Conterganrente nicht auf Hartz IV anrechenbar

Essen (epd). Ob jemand eine Conterganrente bezieht, spielt laut Landessozialgericht NRW für die Berechnung von Hartz-IV-Leistungen keine Rolle. Die Rente der Conterganstiftung erfülle "im Wesentlichen eine Entschädigungsfunktion für Betroffenen", wodurch entgangene Lebensmöglichkeiten ausgeglichen werden sollten, teilte das Gericht am Montag in Essen mit. Deswegen sei die Conterganrente weder zur Bestreitung des Lebensunterhalts bestimmt noch geeignet. Sie müsse deswegen auch nicht zur Deckung existenzsichernder Mehrbedarfe eingesetzt werden. Eine Revision ist möglich. (AZ.: L 6 AS 1651/17)

Im konkreten Fall bezieht die Klägerin dem Sozialgericht zufolge eine Rente nach dem Gesetz über die Conterganstiftung für behinderte Menschen. Zudem wohnt sie in einer aus den Rentenmitteln erworbenen 119 Quadratmeter großen Eigentumswohnung. Das Jobcenter Bonn habe ihr von Dezember 2012 bis November 2013 darlehensweise Leistungen aus dem Sozialgesetzbuch II gewährt. Vor dem Sozialgericht Köln habe sie erfolgreich höhere Leistungen in Zuschussform geltend gemacht. Die Berufung des Jobcenters dagegen wies das Landessozialgericht nun zurück.

Der Klägerin stehe unter anderem ein Mehrbedarf für ihre über den im Regelbedarf enthaltenden Anteil hinausgehenden Stromkosten zu, erklärte das Gericht. Sie müsse diesen nicht aus eigenen Mitteln decken. Zudem müsse sie auch nicht ihre Eigentumswohnung einsetzen. Eine sogenannte Verwertung, also ein Verkauf, ihrer Wohnung würde ein besondere Härte darstellen und "ein Sonderopfer abverlangen", da diese Immobilie den Lebensmittelpunkt bilde. Zudem habe die Klägerin nachgewiesen, dass die Wohnung in weiten Teilen aus Mitteln der Conterganrente erworben worden sei.

Das Medikament Contergan der Firma Grünenthal war von 1957 bis 1961 auf dem Markt. Der Wirkstoff Thalidomid im Medikament hatte fatale Folgen für die Entwicklung von Embryos. Insgesamt kamen wegen des Schlaf- und Beruhigungsmittels rund 10.000 Kinder mit schweren Missbildungen an Armen und Beinen auf die Welt, die Hälfte von ihnen in Deutschland. Das Geld aus einem damals von Grünenthal mit den betroffenen Eltern geschlossenen Vergleichs floss in eine Stiftung, die 1972 auch mit Bundesmitteln gegründet wurde.