Berlin (epd). Die Grünen drängen die große Koalition zu einer Einigung über die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung. "Das Grundgesetz wird nicht alle paar Monate geändert. Wir haben also die Pflicht, es jetzt richtig zu machen - das heißt, besser als die Bundesregierung", das dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Darin betonen die Grünen, dass Kinderrechte absolut gelten müssten. Statt wie im Regierungsentwurf vorgesehen, sollten Kinderrechte nicht nur angemessen, sondern vorrangig berücksichtigt werden, heißt es in dem Papier, über das das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" zunächst berichtet hatte.
Im Regierungsentwurf fehle das "Recht von Kindern und Jugendlichen, bei allen sie betreffenden Angelegenheiten, entsprechend ihres Alters und Reifegrades beteiligt zu werden", genauso wie ein Recht auf Entwicklungsförderung. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass "Kinderrechte in politischen Entscheidungen mit bedacht werden, aber nicht die herausragende Stellung einnehmen, die den besonderen Entwicklungsbedarfen der Kinder gerecht wird". Das müsse sich ändern.
Das Papier ist unter anderem von Parteichefin Annalena Baerbock, Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und Grünen-Landesministern aus acht der zehn Bundesländer unterzeichnet, in denen die Grünen mitregieren. Landesminister aus Brandenburg und Schleswig-Holstein fehlen. Die Koalition hatte im Januar einen Gesetzesentwurf für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz vorgelegt.
Das Bundeskabinett hatte im Januar einen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf den Weg gebracht, der unter anderem dafür sorgen soll, dass das Kindeswohl bei staatlichem Handeln stärker berücksichtigt wird und Kinder einen Anspruch auf rechtliches Gehör haben. Über die Grundgesetzänderung müssen Bundestag und Bundesrat abstimmen. Benötigt wird dafür eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Um das Gesetz durchzubringen, ist die Koalition aus Union und SPD damit auf Stimmen der Opposition im Parlament angewiesen.
Im betreffenden Grundgesetzartikel 6, Absatz 2, heißt es dort bislang: "Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft." Ergänzt werden soll dieser Passus: "Die verfassungsmäßigen Rechte der Kinder einschließlich ihres Rechts auf Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten sind zu achten und zu schützen. Das Wohl des Kindes ist angemessen zu berücksichtigen. Der verfassungsrechtliche Anspruch von Kindern auf rechtliches Gehör ist zu wahren. Die Erstverantwortung der Eltern bleibt unberührt."
Neben den Grünen haben auch die anderen Oppositionsparteien den Gesetzentwurf bemängelt. Die Linke kritisierte, der Entwurf gehe bezüglich der Förderung, Beteiligung und dem Schutz von Kindern nicht weit genug. Die FDP hatte Grundgesetzänderungen über Kinderrechte hinaus gefordert und angekündigt, ihre Zustimmung zu dem Entwurf auch von der Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in den Antidiskriminierungsartikel (Artikel 3) abhängig zu machen. Die AfD hatte sich gänzlich ablehnend zu einer Grundgesetzänderung geäußert. Auch Kinderrechtsorganisationen hatten Kritik geübt, unter anderem, dass die vorgesehene Regelung hinter der UN-Kinderrechtskonvention zurückbleibe.
epd lnb/hei