Berlin (epd). Kommunen und Experten warnen vor falschen Erwartungen an kostenlose Corona-Schnelltests. Die Menschen sollten nicht glauben, "ab 1. März stünden überall für alle die Schnelltests in großer Zahl zur Verfügung", sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Donnerstag). "Aus dem Impfstart haben wir gelernt, dass Organisation und Beschaffung sowie Verteilung für viele Millionen Menschen gleichzeitig eine Mammutaufgabe darstellt."
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angekündigt, dass sich ab Anfang März alle Bürgerinnen und Bürger in Testzentren oder Apotheken von geschultem Personal mit kostenlosen Schnelltests auf das Corona-Virus testen lassen können.
Auch bei den Medizinern im öffentlichen Gesundheitsdienst stößt die Einführung flächendeckender Schnelltests auf Vorbehalte. "Es bringt bei der Pandemie-Bekämpfung nichts, einfach nur viele kostenlose Tests anzubieten", sagte die Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, den Funke-Zeitungen. Sie verlangte "eine Strategie und klare Regeln".
Der Sozialpsychologe Roman Trötschel warnte ebenfalls vor überzogenen Hoffnungen. Sollten die Tests nicht in ausreichend großer Zahl verfügbar sein oder sollte die Zulassung zu lange dauern, sei Unzufriedenheit mit der Politik bis hin zur Politikverdrossenheit programmiert, sagte der Professor für Sozial- und Organisationspsychologie an der Leuphana Universität Lüneburg dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Für Patientenschützer Eugen Brysch kommt es jetzt darauf an, dass diese Angebote millionenfach täglich im gesamten Bundesgebiet zur Verfügung stehen. "Überfällig ist eine Zertifizierung durch unabhängige Referenzlabore", sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz dem epd. Der Bundesgesundheitsminister müsse dafür sorgen, dass nur geprüfte Schnelltests aus Steuermitteln bezahlt werden.
Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Landsberg, forderte ein stufenweises Vorgehen. "Wenn die Tests noch nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, ist es sinnvoll, sich zunächst auf Kitas und Schulen zu konzentrieren", sagte er. Landsberg mahnte zugleich eine schnelle Zulassung der Eigentests an. Selbst wenn die Fehlerquote etwas höher sein sollte, "ist das immer noch besser, als gar keinen Test vornehmen zu können".
Medizinerin Teichert kritisierte, ungeklärt sei bislang, wie sich diejenigen zu verhalten hätten, "die bei sich ein positives Ergebnis feststellen". Es sei offen, bei wem sich diese Personen melden müssten. Auch gebe es bisher keine Antwort auf die Frage, ob Kinder von infizierten Eltern in die Schule gehen dürften oder ob in diesen Fällen für die ganze Familie Quarantänepflicht gelte. "All das muss die Politik sehr zügig klären", verlangte die Verbandschefin.
Trötschel erläuterte, die Schnelltests zur Selbstanwendung würden von vielen als möglicher Ausweg aus den Einschränkungen und nicht als deren Ergänzung erlebt. Wie viel Freiheit sie jedoch tatsächlich ermöglichten, bleibe abzuwarten. "Zunächst ist ja damit zu rechnen, dass mehr Infektionen entdeckt werden, die vorher unerkannt geblieben sind."
epd mj/lnb tz