Brüssel (epd). Die zuerst in Großbritannien entdeckte Mutation des Coronavirus verbreitet sich auch in Deutschland schnell. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, inzwischen seien 22 Prozent der Neuansteckungen Infektionen mit der britischen Virus-Variante. Vor zwei Wochen seien es noch sechs Prozent gewesen. Unterdessen stellte die EU-Kommission neue Maßnahmen gegen Virus-Varianten vor.
Spahn zufolge verdoppelt sich ungefähr jede Woche der Anteil der Mutation an der Gesamtzahl der Ansteckungen. Die britische Variante könnte auch in Deutschland bald die dominierende werden, sagte er. Die südafrikanische Variante des Coronavirus ist Spahn zufolge für 1,5 Prozent der Infektionen verantwortlich. Mit Blick auf die Verbreitung der Varianten warnte der Gesundheitsminister: "Wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir den Lockdown verlassen." Die Erfolge dürften nicht verspielt werden. Obwohl sich die Varianten weiter verbreiteten, steckten sich derzeit aber insgesamt weniger Menschen an.
Das Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte seinen zweiwöchentlichen Bericht zu den Virus-Varianten. Darin heißt es, es sei mit einer weiteren Erhöhung des Anteils der britischen Variante B.1.1.7 zu rechnen, wie es auch aus anderen europäischen Ländern berichtet werde. Die Variante macht Wissenschaftlern und Politik große Sorgen, weil sie ansteckender ist.
In Brüssel schlug die EU-Kommission zusätzliche Maßnahmen gegen neue Varianten vor und brachte dabei auch Notfallzulassungen für Impfstoffe ins Gespräch. Neue Varianten entstünden schnell, warnte Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Die Verbreitung der zunächst in Großbritannien, Südafrika und Brasilien identifizierten Varianten könne einen "Paradigmenwechsel" im Kampf gegen Corona darstellen, hieß es in einer Kommissionsmitteilung. Denn die Varianten seien stärker ansteckend "und in einigen Fällen wurden sie mit einer potenziell erhöhten Schwere der Erkrankung in Verbindung gebracht".
Daher will die Kommission zum Beispiel die Entwicklung spezieller Tests für Varianten und die Genomsequenzierung mit mindestens 75 Millionen Euro bezuschussen. Zudem rief sie ein 21 Länder umfassendes Netzwerk für klinische Tests ins Leben. Das Netzwerk soll die Zusammenarbeit und den Datenaustausch für Tests von Corona-Impfstoffen und Corona-Medikamenten erleichtern. Ein weiterer Schwerpunkt sei die Erforschung von Impfungen für Kinder und junge Leute.
Mit Blick auf die Zulassung von Impfstoffen richtet die Kommission den Blick auf das Prozedere für Grippe-Impfstoffe. Die neuen Varianten der Influenza machen regelmäßig neue Impfstoffe nötig, deren Zulassung schneller geht als bei völlig neuen Präparaten. Auch für an neue Varianten angepasste Corona-Impfstoffe soll es der Behörde zufolge eine "beschleunigte Zulassung" geben.
Darüber hinaus bringt die Kommission eine "neue Kategorie der Notfallzulassung von Impfstoffen auf EU-Ebene mit geteilter Haftung unter den Mitgliedsstaaten" ins Gespräch. Bisher gab es in der EU keine Notfallzulassungen für Corona-Impfstoffe. Stattdessen wurde auf reguläre sogenannte bedingte Marktzulassungen gesetzt.
Ein weiterer Punkt der vorgestellten und vorgeschlagenen Maßnahmen sind bessere Vorbereitungen für die Impfstoffproduktion. Wenn die EU künftig Rahmenverträge mit Herstellern abschließt oder aktualisiert, soll ein detaillierte Plan über die Produktionskapazitäten Bedingung sein. Die Kommission war unter Druck geraten, nachdem bekanntwurde, dass teilweise Zusagen für Impfstoff-Lieferungen nicht eingehalten wurden.
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