Eine Frau wird brutal durch ihre Wohnung gezerrt, ihr Sohn kommt heim und wird kaltblütig erschossen; soweit der Prolog. Dann wird’s lustig: Youssef El Kilali (Karim Chérif), Detekteipartner von Anne Marie Fuchs, zeigt ihr das neue "repräsentative" Büro, das sich in einer heruntergekommenen Industriebrache befindet. Und weil sich die "Füchsin" nach einer Mieterhöhung ihre Wohnung nicht mehr leisten kann, hat Youssef ihr auch gleich eine Unterkunft eingerichtet, die er als Loft im New Yorker Stil anpreist; tatsächlich handelt es sich um eine Fabrikhalle.
Dieser abrupte Genrewechsel ist etwas irritierend, zumal sich die beiden Partner auch noch einen witzigen verbalen Schlagabtausch liefern. In diesem Stil geht’s jedoch weiter: Die Krimiebene ist zum Teil knallhart, inklusive Folter, weiterer Leichen und einem spannend inszenierten Finale. Als Kontrast dienen die Dialoge zwischen Fuchs und Youssef sowie dessen Familienszenen: Ehefrau (Jasmin Schwiers) muss mit ihrem Café die Lokalität wechseln und ist im Renovierungsstress ist. Die Kombination der beiden heiter-herben Ebenen funktioniert zwar nicht ganz so überzeugend wie in "Nord bei Nordwest" (ebenfalls eine Donnerstagskrimireihe), aber dort ist der Humor auch schwärzer.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Geschichte ist dafür umso besser, denn Ralf Kinder, der bislang alle Drehbücher für "Die Füchsin" geschrieben hat, konfrontiert sein Düsseldorfer Ermittlerduo mit einem zunächst völlig undurchsichtigen Rätsel. Bei der Frau aus dem Prolog handelt es sich um die Gattin eines Polizeirats, der gerade erst in den Nachrichten war: Bachmann (Peter Trabner) hat kürzlich einen im Kollegenkreis sehr geschätzten Beamten suspendiert; der Hauptkommissar hatte zuvor bei einer Personenkontrolle einen angeblich bewaffneten arabischstämmigen Mann erschossen.
In einer Pressekonferenz hat sich Bachmann kritisch über den Korpsgeist bei der Polizei geäußert; Kinder hat zum Teil fast im Wortlaut vorweggenommen, was NRW-Innenminister Herbert Reul im September 2020 über rechtsextreme Chatgruppen von Polizisten gesagt hat (der Film ist im Sommer 2020 gedreht worden). Kein Wunder, dass Bachmanns Schwiegertochter (Picco von Groote) der Polizei misstraut und das Detektivbüro beauftragt; sie glaubt, dass der suspendierte Patzel (Christian Hockenbrink) hinter der Entführung steckt und von seinen Kollegen gedeckt wird.
Der Kommissar entpuppt sich zwar in der Tat als äußerst unsympathisch, aber das Duo geht davon aus, dass er sich, wenn überhaupt, an Bachmann selbst rächen würde. Zur gleichen Zeit gelingt Florian (Florian Bartholomäi), dem wegen des Mordes an seinem Vater zu lebenslanger Haft verurteilten Sohn von Fuchs, die Flucht aus dem Gefängnis, und selbstredend hat das eine nur scheinbar nichts mit dem anderen zu tun, weil Kinder die beiden Stränge ziemlich clever miteinander verknüpft.
Natürlich schleicht auch diesmal die Stasi-Vergangenheit der Heldin wie ein hässliches Gespenst durch die Handlung und sorgt mit einem schockierenden Erlebnis dafür, dass ein altes Trauma wieder aufbricht, was in einer späteren Szene zu einem effektvoll geschnittenen Gänsehautmoment führt.
Die künstlerische Laufbahn von Regisseur Marc Rensing war bislang ähnlich wechselhaft wie der Auftakt zu "Treibjagd": Auf sein rasantes Erstlingswerk "Parkour" (2010, Kino) folgten unter anderem zwei mittelmäßige "Wilsberg"-Episoden, ein kurzweiliger Beitrag zu "Friesland" (beide ZDF) sowie die zwar zu Herzen gehende, aber auch rasch wieder vergessene weihnachtliche Tragikomödie "Der Wunschzettel" (ein Freitagsfilm im "Ersten"); zuletzt hat er mit "Gegenströmung" einen zweiten sehenswerten "Friesland"-Krimi gedreht.
Rensings erste Regiearbeit für "Die Füchsin" zeichnet sich neben einer bemerkenswerten Bildgestaltung (Sebastian Bäumler) nicht zuletzt durch das mit eindrucksvoller Konsequenz durchgezogene Farbkonzept aus: "Treibjagd" ist ein Fest in Grün. Das gilt nicht nur für die Außenaufnahmen, die einen zarten Grünstich haben, sondern auch für Kleidung und Ausstattung. Wände, Fliesen, Möbel, selbst die Büro-Utensilien in der Detektei: alles grün, in unterschiedlichsten Tönen und Schattierungen; die Autos natürlich auch.
Das viele Grün passt zum Showdown im Wald, als sich alle Beteiligten gegenseitig am Silbersee bei Ratingen auflauern, weil dort tatsächlich ein Schatz versteckt ist; und natürlich bleiben dabei einige auf der Strecke.
Rundum gelungen ist auch die glaubwürdige Besetzung der Nebenfiguren mit markanten Typen sowie Rensings Arbeit mit dem Ensemble, aus dem Elif Kardesseven hervorsticht. Sie spielt eine junge Frau, die sich unsterblich in Florian verliebt hat und spontan bereit ist, mit ihm auf den Balkan zu fliehen; es wird sich zeigen, ob es eine gute oder eine schlechte Nachricht für die beiden ist, dass die Reihe sie nicht aus den Augen verliert.