Lüneburg (epd). Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Menschen nach Einschätzung des Lüneburger Tourismusforschers Edgar Kreilkamp "mehr denn je" auf Urlaub angewiesen. "Urlaub, das heißt Abstand vom Alltag gewinnen, Kraft tanken, frei sein, entspannen, das sind Erlebnisse und mit Familie oder Freunden zusammen sein - alles Aspekte, die man jetzt in der Corona-Zeit sowieso vermisst", sagte Kreilkamp dem Evangelischen Pressedienst (epd). Im Alltag gelinge es unter den Beschränkungen der Corona-Pandemie derzeit vielen Menschen noch weniger als sonst, den Kopf frei zu bekommen: "Insofern ist die Sehnsucht nach Urlaub groß."
Am Wochenende hatte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) Urlaub in Deutschland über Ostern wegen der Corona-Pandemie ausgeschlossen. Zu große Mobilität etwa durch Reiseverkehr und Tourismus bereits im April sei Gift. Die Bundesregierung, aber auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) wollten in dieser Hinsicht noch keine Prognosen abgeben.
Urlaub wäre so etwas wie eine Flucht vor Corona, sagte Kreilkamp. "Man könnte auch sagen: Die Urlaubsreise macht es erst wieder möglich, die Beschränkungen durch Corona auszuhalten." Der Wissenschaftler kritisierte die Einschätzung des sächsischen Ministerpräsidenten als zu undifferenziert: "Es wird alles über einen Kamm geschert." Eine Ferienwohnung sei unter dem Blickwinkel des Infektionsschutzes möglicherweise viel günstiger als zwei Zimmer, Küche und Bad im großstädtischen Mehrfamilienhaus. "Das wird einfach nicht zur Kenntnis genommen."
Ohnehin hätten urlaubsbedingte Corona-Infektionen nach bisherigen Studien keine große Rolle gespielt. "Urlaub, Restaurants, Museen - das sind alles keine Hotspots", betonte Kreilkamp und verwies auf die soziale Komponente des Reisens. "Wer ein schönes Einfamilienhaus mit einem großen Garten hat und in der Natur wohnt, der kann so eine Corona-Situation viel besser überstehen als eine Familie im Hochhauskomplex." Es gebe Menschen, die sparten ein ganzes Jahr für den Urlaub: "Für die hat das eine enorme Bedeutung, einfach mal aus Enge und Alltag rauszukommen."
Falls ihnen der Urlaub verwehrt werde, würden viele Menschen zu Tagestouren aufbrechen und sich beispielsweise an den Küsten von Nord- und Ostsee ballen, prognostizierte Kreilkamp. "Das macht die Situation auch nicht besser." Mit einem Quartier vor Ort sei die Lage entspannter, "dann verteilt es sich mehr".
Ihm fehle in der Politik der Mut zu einer klaren Regel, etwa zu der Möglichkeit von Reisen unter einer Inzidenz von 50, "da warten die Leute drauf". Was das auf Länder- und auf Kreisebene bedeute, darüber müsse offen geredet werden, forderte Kreilkamp. "Jetzt diskutiert man Ostern. Wenn das vorbei ist, diskutiert man über Pfingsten und dann kommt der Sommerurlaub. Ich glaube, dann gibt es kein Halten mehr. Urlaub auf Balkonien jedenfalls ist kein echter Ersatz."