Den Haag (epd). Der britische Jurist Karim Khan soll neuer Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs werden. Die Mitgliedsstaaten des Gerichts wählten Khan in der Nacht zum Samstag bei einer Versammlung in New York für eine Amtszeit von neun Jahren. Khan übernimmt das Amt im Juni von der heutigen Chefanklägerin, Fatou Bensouda aus Gambia. Das Gericht in Den Haag kann Einzelpersonen für Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression verfolgen.
Khan wurde in der zweiten Wahlrunde von 72 der insgesamt 123 Mitgliedsländern gewählt. Der Brite wird damit der dritte Chefankläger seit der Eröffnung des Gerichts 2002. Außer ihm waren Kandidaten aus Spanien, Irland und Italien von den Regierungen nominiert worden. Erstmals seit der Gründung des Strafgerichtshofs fand eine Abstimmung statt, weil sich die Mitgliedsstaaten auch nach einem langwierigen Prozess nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen konnten.
Khan ist seit 2018 Leiter der UN-Ermittlungsmission UNITAD, die im Irak Verbrechen der Terrormiliz "Islamischer Staat" untersucht. Zuvor arbeitete er für die Anklagebehörden an den UN-Kriegsverbrechertribunalen für Ruanda und das frühere Jugoslawien in Den Haag. Er vertrat in hochrangigen Fällen unter anderen Opfer der Roten Khmer in Kambodscha und trat als Strafverteidiger für den früheren kongolesischen Vizepräsidenten Jean-Pierre Bemba und den stellvertretenden kenianischen Präsidenten William Ruto auf, die vom Strafgerichtshof angeklagt wurden.
Der neue Chefankläger tritt sein Amt in einer für den Strafgerichtshof entscheidenden Phase an. Wegen Ermittlungen in Afghanistan und den palästinensischen Autonomiegebieten steht die Behörde unter großem internationalem Druck. Der frühere US-Präsident Donald Trump hatte wegen drohender Ermittlungen gegen US-Bürger in Afghanistan Sanktionen gegen die heutige Chefanklägerin Bensouda verhängt. Zudem steht das Gericht wegen seiner langwierigen Verfahren in der Kritik. Khan müsse die Schwachpunkte des Gerichts angehen und gleichzeitig seine Unabhängigkeit beweisen, um auch mächtige Akteure zur Rechenschaft ziehen zu können, forderte Richard Dicker von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nach der Wahl.