Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hält eine frühere Corona-Impfung von Grundschullehrern und Erziehern, wie sie die Regierungschefs von Bund und Ländern wollen, erst im Frühjahr für möglich. Erst müsse der Gruppe mit der höchsten Priorität ein Angebot gemacht werden, sagte Spahn am Freitag in Berlin. Jeder zweite Todesfall im Zusammenhang mit Corona betreffe einen über 80-Jährigen. "Deswegen ist diese Gruppe auf jeden Fall zuerst zu impfen", betonte Spahn. Er äußerte sich zugleich zuversichtlich, dass zumindest Pflegeheimbewohnern aus dieser Gruppe bald flächendeckend ein Angebot gemacht worden ist.
In ihrem Beschluss von Mittwochabend hatten Bund und Länder die Bitte formuliert, eine frühere Impfung von Lehrkräften sowie Erzieherinnen und Erziehern zu prüfen. Sie sollen aus der Priorisierungsgruppe 3 in 2 vorgezogen werden und wären dann zeitgleich mit Menschen über 70 Jahren oder Personen mit schweren Vorerkrankungen, Demenz oder schweren Behinderungen an der Reihe. Spahn sagte, das sei voraussichtlich im Frühjahr möglich, wenn ausreichend Impfstoff für diese Gruppe zur Verfügung stehe. Andere aus dieser Kategorie etwa mit schweren Vorerkrankungen dürften nicht hinten anstehen.
Der Minister unterstrich, dass sich ein Vorziehen der Impfung auf Lehrkräfte an Grundschulen und Erzieherinnen und Erzieher beschränken würde. Sie hätten mit Kindern in Altersgruppen zu tun, bei denen Abstands- und Hygieneregeln viel schwerer um- und durchzusetzen seien.
Die Bochumer Ethik-Professorin Sigrid Graumann äußerte sich skeptisch über ein Vorziehen der Lehrer. "Wenn einzelne Gruppen darauf drängen, früher berücksichtigt zu werden, müssen zwangsläufig andere, die aus guten ethischen Gründen höher priorisiert sind, länger auf die Impfung warten. Das ist ungerecht und kann Leben kosten", sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrates dem epd. Die Kriterien zur Priorisierung bei den Covid-19-Impfungen waren vom Ethikrat mit entwickelt worden. Der Wunsch von Lehrkräften und Erzieherinnen, möglichst früh geimpft zu werden, sei nachvollziehbar, sagte Graumann. Aber das Infektionsrisiko, das sie tragen, sei bei der Impfreihenfolge berücksichtigt worden.
Spahn zufolge wurden bislang 3,8 Millionen Impfdosen in Deutschland verteilt. 1,5 Prozent der Bevölkerung hätten bereits die zweite Impfung erhalten. In den Pflegeheimen seien inzwischen 80 Prozent der Bewohner einmal, rund die Hälfte schon zweimal geimpft. Das Ziel, möglichst allen in Pflegeheimen bis Mitte Februar eine Impfung anzubieten, sei damit erreichbar, sagte Spahn.
In der ersten Gruppe sind allerdings auch alle Menschen über 80 Jahren und Personal im Gesundheitssystem und in Pflegeeinrichtungen, die ein hohes Ansteckungsrisiko haben. Nach Daten des Statistischen Bundesamts haben damit allein 5,7 Millionen Menschen im Alter von 80 Jahren und älter mit als erste Anspruch auf die Immunisierung.
Nach Berichten über mehrere Fälle, in denen Amtsträger früher als vorgesehen geimpft wurden, sollen Spahn zufolge für diesen Bereich Konsequenzen geprüft werden. Dies solle gemeinsam mit dem Bundestag im Zuge der Beratung über das Infektionsschutzgesetz geschehen. Aus mehreren Ländern gibt es Berichte, wonach sich unter anderem Landräte und Oberbürgermeister haben impfen lassen, obwohl sie noch nicht dran waren. Auch eine Impfung des katholischen Augsburger Bischofs Bertram Meier mit übriggebliebenen Dosen sorgte für Aufsehen. Meier weist den Vorwurf der "Impfdrängelei" allerdings zurück und verweist dabei auf regelmäßige Besuche in Pflegeheimen, was in der bayerischen Impfverordnung berücksichtigt sei.
Wenn am Ende eines Tages Impfdosen übrig sind, droht deren Verfall. Spahn sagte, bei der Knappheit des Impfstoffs sei "fast alles besser als wegwerfen". Es sei aber wichtig, auch für diese Situation Regeln zu haben. Er schlug vor, übriggebliebene Impfdosen an Klinikmitarbeiter, Feuerwehrleute oder Polizisten zu verteilen. Diese Gruppen werden ebenfalls prioritär geimpft, allerdings erst in späteren Gruppen.
epd co/db jup