Experte: Ausfall des Karnevals keine Katastrophe für die Jecken
12.02.2021
epd
epd-Gespräch: Silja Thoms

Köln (epd). Der Ausfall des Straßen- und Sitzungskarnevals ist nach Einschätzung des Experten Wolfgang Oelsner für die Jecken "keine Katastrophe und auch keine Traumatisierung". Frustrationen gehörten zum Leben dazu, die große Lebenskunst sei es, damit umzugehen, sie zu verkraften und zu verarbeiten, sagte der Kölner Pädagoge und Jugendpsychotherapeut, der als "Karnevalsphilosoph" gilt, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Genau wie das nächste Weihnachten wieder kommen wird, kommt auch das nächste Karnevalsfest wieder."

Eine Tragödie sei der Ausfall der vielen Veranstaltungen "für diejenigen, die davon leben, also die Bands oder die Künstler auf den Bühnen, weil das Hauptjahresgeschäft kaputt ist", sagte Oelsner, der psychologische und kulturanthropologische Aspekte des Karnevals erforscht und selbst zur Kölner Karnevalsszene gehört. Für alle anderen sei es so, als würde man einen Urlaub absagen: "Es ist schade, aber nicht schlimm. Damit können Menschen umgehen."

"Eine Brauchkultur ist kein Event, das stattfindet oder eben nicht, sondern sie hat eine Kontinuität und kann es verkraften, einmal auszufallen", erläuterte der Karnevalsforscher. "Wenn sie eine Substanz hat, kommt sie aber wieder und geht nicht kaputt." Die Menschen könnten jetzt nicht die üblichen Brauchformen leben, "aber das nimmt unserem Zusammengehörigkeitsgefühl und vor allem der Hoffnung und der Zuversicht, dass es wieder andere Jahre geben wird, nichts".

Oelsner lobte die Kreativität vieler Narren, trotz der Corona-Pandemie Nähe zu schaffen und alternative Formen des Feierns zu finden. So würden in Köln "karnevalistische Care-Pakete" mit roten Schaumstoffnasen, Konfetti und Luftschlangen verschickt. Die Karnevalisten schmückten Wohnungen, hörten Online-Büttenreden an und gingen verkleidet einkaufen.

Familien mit Kindern rät Oelsner, zuhause Karneval zu feiern - mit Narrenkappe, Luftschlangen, Fastnachts-Gebäck, Kamelle-Werfen oder einem Umzug aus Legosteinen. Für Kinder im Vorschulalter sei nicht nur das Verkleiden wichtig, erläuterte der Pädagoge: "Sondern auch, dass sie in eine Brauchkultur hineinwachsen, bei der sie merken, dass die Wohnung an manchen Tagen anders aussieht und sich die Familienangehörigen vielleicht auch anders verhalten."