Hamburg (epd). Die Zahl der gemeldeten Fälle von Kindeswohlgefährdungen in deutschen Kinderkliniken und Kinderschutzambulanzen ist im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 im Vergleich zu 2019 zurückgegangen. Das ist das Ergebnis einer Studie zur Kindeswohlgefährdung am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Ambulanzen verzeichneten einen Rückgang von 15 Prozent, Kliniken von 20 Prozent, sagte der UKE-Kinderschutzmediziner Jo Ewert am Mittwoch. Allerdings vermuten die Mitarbeiter des Forschungsnetzwerks, dass die Dunkelziffer von Misshandlung und Vernachlässigung von Kindern weiter gestiegen ist.
Kinder seien zwar keine Risikogruppe für schwere Verläufe von Covid-19, wohl aber für psychische Belastungen, erklärte Ewert. Beobachtet worden sei ein Rückgang der Anrufe bei der medizinischen Kinderschutzhotline im ersten Lockdown um 30 Prozent. Als Grund für diesen Rückgang werde angenommen, dass die Beratungsangebote bei Ärzten und Institutionen aufgrund der Kontakteinschränkungen geringer gewesen seien. Die Dunkelziffer werde aktuell auf 90 Prozent geschätzt. Risikofaktoren für Misshandlungen und Kindeswohlgefährdung seien beengter Wohnraum und eingeschränkte Kontrollen durch Schulen und Einrichtungen.
Ewert sprach von einem erhöhten aktuellen Risiko für Kindeswohlgefährdung. Er plädierte dafür, den Kinderschutz bei zukünftigen Maßnahmen noch stärker zu berücksichtigen. Auch die aufsuchende Jugendhilfe sollte gestärkt werden, um bei den gesteigerten Anforderungen arbeitsfähig zu bleiben. Bundesweit wurden 334 Kinderkliniken und Ambulanzen zur Teilnahme an der Studie aufgerufen, von denen sich 46 Prozent beteiligten.