Forscherin: Psychisch flexible Menschen kommen besser durch Pandemie
08.02.2021
epd
epd-Gespräch: Claudia Rometsch

Bonn (epd). Homeschooling, fehlende soziale Kontakte oder sogar eine bedrohte berufliche Existenz: Die Pandemie führt viele Menschen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Resilienz, also die Fähigkeit, schwere Krisen zu bewältigen, ist in der derzeitigen Situation eine Eigenschaft, die viele gerne hätten. "Resilienz kommt gerade jetzt als Sehnsuchtsthema daher", sagte die Bonner Theologin und Resilienz-Forscherin Cornelia Richter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Widerstandskraft könne man sich allerdings nicht in kurzer Zeit aneignen, wie es oft in Ratgebern versprochen werde. "Aber man kann bestimmte Dinge kultivieren und einüben."

Vor allem psychisch und kognitiv flexible Menschen kämen mit Belastungssituationen wie der Corona-Krise besser zurecht, sagt Richter. Sie untersucht als Mitglied einer interdisziplinären Forschungsgruppe an der Universität Bonn Faktoren und Mechanismen, die Resilienz fördern. Derzeit müssten sich viele Menschen mit Umständen arrangieren, die sie als unnormal empfänden. "Je leichter man bereit ist, Neues auszuprobieren, desto besser kommt man damit klar, dass das ein oder andere derzeit nicht mehr geht." Ein Beispiel sei das Arbeiten im Homeoffice, das oft besser funktioniere als erwartet.

Leichter täten sich in unberechenbaren Situationen Menschen, die keine allzu starren Pläne machten, beobachtet Richter. Wenn etwa die ersehnte Auslandsreise nicht stattfinden könne, helfe es, Alternativen parat zu haben. "Das geht leichter, wenn ich mir überlege, warum mir diese Dinge wichtig sind und worin der Sinn für mich liegt." Freue man sich zum Beispiel vor allem wegen des Badens im Meer auf den Mallorca-Urlaub, so könnte die Alternative in Ferien an einem deutschen Badesee bestehen. "Im vergangenen Sommer hat man ja gesehen, dass Urlaub in Deutschland plötzlich auch ganz cool war."

Ein wichtiger Faktor zur Bewältigung krisenhafter Zeiten sei auch ein gut strukturierter Tagesablauf, erklärt Richter. Dabei könnten Rituale helfen, etwa die Kaffeepause oder der Spaziergang zur immer gleichen Tageszeit. Hilfreich seien auch konkrete Ziele, die die Motivation stärkten. Das könne sein, ein bestimmtes Buch zu lesen, die Wohnung schöner zu gestalten oder zu handarbeiten. "Wichtig ist, dass die Ziele realistisch sind und zeitnahe Erfolge möglich sind", sagt Richter.

Als entscheidendes Kriterium für die Bewältigung von Krisen habe sich aus Sicht der Theologie aber vor allem die Fähigkeit erwiesen, negative Erfahrungen in die eigene Biografie zu integrieren. Es gehe darum, Krisen zu durchleben und sie als Teil des eigenen Lebens zu akzeptieren, ohne davon in den Abgrund gerissen zu werden.