Hannover (epd). Menschen unter dem Einfluss immunschwächender Medikamente sind einer Studie zufolge keinem höheren Risiko ausgesetzt, schwer an Covid-19 zu erkranken. Ärzte aus Hannover, Essen und Berlin hatten untersucht, ob sich für Patienten mit Multipler Sklerose (MS) bei der Infektion mit dem Coronavirus das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf durch eine sogenannte immunmodulierende Therapie erhöht, wie die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) am Donnerstag mitteilte.
Aus Angst, ihren Patienten möglicherweise zu schaden, hätten einige behandelnde Ärzte seit Beginn der Pandemie auf eine Immuntherapie verzichtet. Auch MS-Patienten selbst hätten aus Unsicherheit ihre Behandlung ausgesetzt. Diesen Zustand wollten die Wissenschaftler ändern und eine Therapie-Entscheidung auf Basis von Fakten ermöglichen.
Gemeinsam mit Kollegen der Uniklinik Essen und der Charité Berlin verglichen die Ärzte Daten zu 873 positiv auf Corona getesteten MS-Patienten und ihren Krankheitsverläufen. Dabei stellten die Wissenschaftler fest, dass Patientinnen und Patienten, die weiter mit immununterdrückenden Medikamenten behandelt wurden, sogar weniger schwer erkrankten und seltener starben als solche ohne Behandlung mit MS-Therapeutika.
Eine mögliche Erklärung dafür sehen die Wissenschaftler in der durch das Coronavirus verursachten überschießenden Immunreaktion, die im Verdacht steht, mehr Schäden zu verursachen als das Virus selbst. Diese unerwünschte Hyperaktivität des Immunsystems werde eventuell von den immunmodulierenden Medikamenten sogar abgeschwächt. Die Daten sprächen jedenfalls dafür, dass die Medikamente die Virusabwehr nicht entscheidend negativ beeinflussen. Hingegen seien demnach unbehandelte und schwer betroffene MS-Patienten besonders gefährdet. Studien zu anderen neurologischen Erkrankungen kämen zu demselben Ergebnis.