Äthiopien: Opposition geht von etwa 52.000 Todesopfern in Tigray aus

Frankfurt a.M., Addis Abeba (epd). In der äthiopischen Krisenregion Tigray sind Oppositionellen zufolge möglicherweise mehr als 52.000 Menschen getötet worden. Seit Beginn der Kämpfe der Zentralregierung gegen lokale Gruppierungen im November seien zahlreiche Dörfer und Städte durch Beschießungen zerstört worden, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung dreier Oppositionsparteien vom Dienstag. Eine unabhängige Bestätigung der Zahl gibt es nicht, weil die Region in Nordäthiopien für unabhängige Beobachter und Journalisten weiter unzugänglich ist.

Die Unabhängigkeitspartei von Tigray (TIP), der Nationalkongress Groß-Tigray (Baytona) und Salsa Weyand Tigray (SAWET) machten in der Erklärung das äthiopische Militär, die eritreische Armee, Spezialkräfte und Milizen für schwere Verbrechen verantwortlich. Morde und Gruppenvergewaltigungen seien an der Tagesordnung und die Regierung nutze Hunger als Kriegswaffe, um die Menschen der Region zu unterdrücken. Schätzungen der Oppositionsparteien zufolge sind rund 150.000 Menschen in andere Gebiete Äthiopiens geflüchtet.

Die Zentralregierung von Ministerpräsident Abi Ahmed und die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF), die bisher in der Region im Norden des Landes an der Macht war, liefern sich seit rund drei Monaten einen Kampf um die Macht. Hintergrund des Konflikts waren Wahlen für das Regionalparlament, die die Tigray-Regierung entgegen der Anordnung der Zentralregierung organisiert hatte. Die TPLF war daraus als Sieger hervorgegangen, TIP, Baytona und SAWET bildeten die Opposition. Zwischen Tigray und der Zentralregierung herrschen seit längerem Spannungen um Entscheidungsbefugnisse der Region.

Hilfsorganisationen warnen vor einer humanitären Krise. Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandin, teilte nach einem Besuch in der Region am Dienstag mit, die Lage in Tigray sei ernst und dringende Hilfe notwendig, um Schlimmeres zu verhindern. Zuvor hatten Hilfsorganisationen wiederholt beklagt, dass sie keinen Zugang zu der Region bekommen hätten. Grandin erklärte, ein Teil der Hilfsgüter werde inzwischen zugelassen. In Tigray leben rund fünf Millionen Menschen, von denen Schätzungen zufolge fast die Hälfte auf humanitäre Hilfe angewiesen ist.