Berühmt wurde er später, in Berlin, als Pionier des "Neuen Bauens". Aber sein allererster Auftrag führte den jungen Architekten Bruno Taut 1906 nach Unterriexingen bei Ludwigsburg. Dort sollte er die Dorfkirche erneuern. Schon damals zeichnete sich ab, wofür Taut später bekannt wurde: Ein innovatives Raumkonzept und eine intensive Farbgebung. Was später in luftigen, lichten Berliner Wohnungen und bei deren Fassadenfarben große Wirkung erzielte, kam in Unterriexingen indessen nur bedingt gut an. Im "Kirchenführer der Evangelischen Pfarrkirche zu Unterriexingen" (von Harald Goldschmidt und Wolfgang Weber) ist zwar von einer "gute{[n]Tautsche[n] Lösung der räumlichen Situation" die Rede, die bis heute erhalten ist. Im Blick auf die Farbgebung aber: Bänke in Moosgrün, die Decke rot, die Wand bläulichweiß, die Chordecke blau mit Goldsternen – kamen Bruno Tauts Änderungen im Württembergischen nicht gut an. Der zuständige Oberkirchenrat befand die Atmosphäre dem Beten nicht zuträglich; die Farbgebung wurde später wieder umgestaltet.
Was vor fast einhundert Jahren die Gemüter erhitzt haben mag, war im Blick auf den gesamten Werdegang der "KiBa-Kirche des Monats Februar 2021" nur eine von mutmaßlich zahlreichen Episoden. Denn Bruno Taut fand Anfang des 20. Jahrhunderts keinen Neubau, sondern ein im Wesentlichen spätgotisches Gotteshaus vor, dessen Äußeres schon mehr als 280 Jahre alt war.
Der Kirchturm mit Gesimsgliederung und Zeltdach befindet sich im Osten, an der Südseite ist er von einem runden kleinen Treppenturm flankiert, an der Nordseite von der Sakristei und dem deutlich breiteren Kirchenschiff. Einige kostbare Ausstattungsstücke zeugen von den damaligen so ganz anderen Zeiten, so zum Beispiel der Grafenstuhl mit Brüstung, der aus dem Jahr 1685 stammt und – man mag es kaum glauben - noch heute vom ansässigen Ortsadel genutzt wird. Oder die steinerne Kanzel mitten in der Nordwand des Kirchenschiffes, gegenüber dem Hauptportal. Sie stammt aller Wahrscheinlichkeit nach noch von der Vorgängerkirche, deren Ursprünge völlig im Dunkeln liegen. In Württemberg gibt es nur noch eine weitere Kirche, in der sich die Kanzel in der Mitte der Nordwand befindet. Dieser liturgisch eigentlich "unmögliche" Ort für eine Kanzel gab in früheren Zeiten Anlass dafür, dass Auswärtige spotteten, in Unterriexingen predige der Pfarrer "zur Tür hinaus". Eine weitere Besonderheit ist das einzig erhaltene "Banktürle", das einst den Eingang zur Bankreihe nur denjenigen gewährte, die dafür bezahlt hatten.
Spendenaktionen - trotz Corona
Auch heute noch sind viele Unterriexinger gern bereit, Geld zu geben, damit sie ihre Kirche nutzen können; die Umstände sind aber natürlich vollständig andere. Nicht um einen sicheren Sitzplatz geht es mehr, sondern um nichts Geringeres als den Erhalt des historischen Gebäudes: Kirchturm und Dachstuhl müssen dringend saniert werden. 400.000 Euro sind für die Restaurierungsarbeiten veranschlagt, die im Frühjahr beginnen sollen. Die Stiftung KiBa hat 10.000 Euro zugesagt.
Den finanziellen Eigenanteil erbringen Kirchengemeinden oft durch Spenden, die auf Flohmärkten, durch Konzerte und Kuchenverkauf gewonnen werden. "Es gäbe jede Menge Aktionen, aber durch Corona sind wir natürlich arg gehandicapt", sagt Pfarrer Ralph Hermann. Glücklicherweise hat noch im Oktober das "Wunschliederkonzert" der Blechbläser auf einem etwas außerhalb gelegenen Parkplatz stattfinden können, bei dem "Menschen ihren Liederwunsch durch eine Spende untermauern" konnten. Diese anderthalb Stunden, berichtet der Pfarrer, "haben einen richtigen Batzen Geld erbracht" - rund 2700 Euro nämlich. Noch mehr brachte eine Aktion, bei der die örtliche Bank die Summe der in einem bestimmten Zeitraum gesammelten Spenden verdoppelte. Außerdem gibt es eine "Kleingeldaktion": In der Kirche und unterschiedlichen Unterriexinger Geschäften stehen Gläser "in der bekannten Nutella-Größe", die dazu auffordern, sich von dem Münzgeld zu entlasten, das den Geldbeutel beschwert. "Diese Gläser kommen regelmäßig gefüllt zurück", freut sich Ralph Hermann. "Das ist im Vergleich natürlich nur ‚Kleinvieh‘, aber das macht ja bekanntlich auch Mist." Trotz der Pandemie bleibt der Pfarrer zuversichtlich, dass das für die Sanierung nötige Geld zusammenkommen wird. "Wir haben noch einiges in der Pipeline."