Berlin (epd). In ihrer Rede in der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer der Nationalsozialisten hat die Holocaust-Überlebende Charlotte Knobloch dazu aufgefordert, stärker gegen Judenhass in der Mitte der Gesellschaft vorzugehen. "Das Phänomen Antisemitismus ist größer als das Offensichtliche", sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, am Mittwoch vor den Abgeordneten. Der Rechtsextremismus sei der größte Träger von Judenhass. Dazu komme radikalislamische Ablehnung, sagte sie. Die Statistik judenfeindlicher Straftaten sei offensichtlich.
Man müsse aber auch "dort zupacken, wo es wehtut - in der Mitte der Gesellschaft", sagte sie. Dies gelte etwa, wenn Antisemitismus intellektuell verbrämt werde, "Zionist" statt "Jude" gesagt werde oder doppelte Standards an Israel angelegt werden, sagte Knobloch.
In ihrer Rede schilderte die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland sichtbar bewegt, wie sie in ihrer Kindheit in München als Jüdin ausgegrenzt wurde. Sie erzählte von ihrer engen Beziehung zur Großmutter, die ins KZ Theresienstadt deportiert und dort 1944 ermordet wurde. "Von meiner Großmutter habe ich die Liebe zu den Menschen geerbt - trotz der Menschen", sagte sie.
Knobloch verurteilte Holocaust-Vergleiche bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen. "Wer Corona-Maßnahmen mit der nationalsozialistischen Judenpolitik vergleicht, verharmlost den antisemitischen Staatsterror und die Schoah." Zugleich warnte sie vor antisemitischen Verschwörungsmythen, die kursierten "von der Schule bis zur Corona-Demo und im Internet, dem Durchlauferhitzer für Hass und Hetze jeder Art".
Die Parlamentarier forderte Knobloch auf: "Passen Sie auf auf unser Land." Dabei betonte sie, diese Worte explizit nicht an die "ganz rechte Seite des Plenums" zu richten. Auf dieser Seite sitzt die AfD, die Knobloch nicht namentlich erwähnte. "Ich kann nicht so tun, als kümmerte es mich nicht, dass Sie hier sitzen", sagte Knobloch in Richtung der Fraktion und ergänzte: "Sie werden weiter für Ihr Deutschland kämpfen und wir werden weiter für unser Deutschland kämpfen."