Berlin (epd). Aus der Sicht von Ärztepräsident Klaus Reinhardt reicht der Blick allein auf Corona-Inzidenzzahlen nicht aus, um über Lockdown-Maßnahmen zu entscheiden. Vielmehr müssten für Lockerungen drei Faktoren zusammenkommen, sagte der Allgemeinmediziner den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). "Die Infektionszahlen müssen weiter deutlich sinken, kleinere Ausbrüche der hochinfektiösen Mutanten müssen gut kontrolliert sein und ein großer Teil der Pflegebedürftigen und des medizinischen Personals muss geimpft sein."
Falls diese Faktoren bereits Mitte Februar einträfen, könne man "über erste, vorsichtige Lockerungen nachdenken." Das Ziel eines Inzidenzwerts von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner pro Woche allein sei unangemessen, um Lockerungen zu begründen, sagte Reinhardt: "Mit dieser Zahl alleine kann man die Infektionslage nicht vollständig beurteilen."
Der Ärztepräsident forderte zudem strengere Maßnahmen bei Ausbrüchen der Corona-Mutationen. "Dort, wo Fälle mit hochinfektiösen Mutanten auftreten, muss sehr konsequent gehandelt werden, um die Kontaktketten zu unterbrechen", sagte Reinhardt den Funke-Zeitungen. Dazu müssten Infizierte und ihre Kontaktpersonen nicht nur unter strenge Quarantäne gestellt werden. Damit diese auch eingehalten werde, müssten die Gesundheitsämter die Auflagen engmaschig kontrollieren. "Sollte es zu einem größeren Ausbruch zum Beispiel in einer Klinik kommen, müssen der Betrieb oder zumindest die entsprechende Station vorübergehend stillgelegt und die Patienten verlegt werden", mahnte Reinhardt.
Der Mediziner forderte alle Beteiligten zu extremer Wachsamkeit auf: Überall dort, wo in einem Betrieb, einer Klinik oder einem Pflegeheim eine plötzliche Häufung von Fällen auftrete, müssten die Testproben unmittelbar nachuntersucht, sequenziert und nach der Virusmutation untersucht werden, forderte Reinhardt.