Bochum (epd). Die Corona-Pandemie kann nach Erkenntnissen von Wissenschaftlern der Ruhr-Universität Bochum und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) einer Reform des Hartz-IV-Systems den Weg bereiten. Um die Folgen der Pandemie abzufedern, seien Ende März 2020 sozialpolitische Reformen erlassen worden, die einen vereinfachten Hartz-IV-Zugang ermöglichen, teilte die Ruhr-Uni am Freitag mit. Diese befristeten Neuregelungen zielten darauf ab, schnelle und unbürokratische Zugänge zur sozialen Sicherung sowie eine zügige Bereitstellung von Geldzahlungen für den Lebensunterhalt der Hartz-IV-Empfänger zu ermöglichen. So wird etwa auf Sanktionen verzichtet und die Bedürftigkeitsprüfung bei den Transferempfängern abgeschwächt.
"Die Pandemie hat eindeutig administrative und inhaltliche Transformationsprozesse angestoßen", erklärte Rolf Heinze vom Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie, Arbeit und Wirtschaft der Ruhr-Uni. Für die Untersuchung hatten die Wissenschaftler mehr als 600 Online-Fragebögen zu den Veränderungen im Arbeitsalltag von Mitarbeitern der insgesamt 15 Jobcenter-Bezirksstellen im Kreis Recklinghausen ausgewertet.
Die Umfrage unter den Jobcenter-Mitarbeitern habe ergeben, dass viele Verfahrensprozesse problemlos digital zu organisieren seien. Zudem habe es "eine befristete sozialpolitische Neujustierung des Hartz-IV-Systems" gegeben, sagte der Soziologe Fabian Beckmann. Die derzeit praktizierte "bedingungsarme" Grundsicherung könne helfen, Ressourcen für die Arbeitsvermittlung in den Jobcentern zu nutzen und den Druck auf die Leistungsbezieher zu reduzieren. Allerdings gebe es derzeit bei den Mitarbeitern in den Jobcentern noch Vorbehalte gegen die neuen Verfahren. Die "positiven Chancen einer Reform" müssten deshalb noch stärker kommuniziert werden, erklärte Beckmann.
Die Neuregelungen im Bereich der Grundsicherung gelten bis zum 31. März. Über eine weitere Verlängerung bis Ende dieses Jahres oder sogar eine Entfristung wird aktuell diskutiert.