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TV-Tipp: "Die Diplomatin: Das Botschaftsattentat"
26. Januar, 3sat, 20.15 Uhr
Die Wiederholung dieses Films mit Natalia Wörner als deutsche Diplomatin weckt Erinnerungen an die Anschläge von Paris: Eigentlich hatte die ARD ihre neue Krimireihe im Herbst 2015 starten wollen; der eigentliche Auftakt, "Entführung in Manila", ist damals jedoch abgesetzt worden.

Deshalb kam es zu dem Unikum, dass das "Erste" zunächst den zweiten Film zeigte, "Das Botschaftsattentat"; der eigentliche Auftakt folgte sieben Tage später. Die beiden Geschichten funktionieren jedoch unabhängig voneinander. Der ursprüngliche erste Teil, den 3sat am 2. Februar zeigt, wird nun als "Prequel" behandelt ("Zwei Jahre vorher") und erzählt, warum die frühere Botschafterin Karla Lorenz (Natalia Wörner) im Auswärtigen Amt als Risikofaktor gilt und nur als Diplomatin zur besonderen Verwendung eingesetzt wird.

"Das Botschaftsattentat" ist ohnehin der fesselndere Film. Holger Joos, der auch das "Manila"-Drehbuch geschrieben hat, erzählt eine brisante Geschichte, die wie eine Hollywoodproduktion eingefädelt ist: Unter der Leitung von Karla Lorenz ist das Personal der deutschen Botschaft in Tunis Teil einer Übung. Geprobt wird eine Geiselnahme, an deren Ende die Stürmung des Gebäudes durch die einheimische Polizei steht. Verblüfft beobachtet Lorenz am Monitor, wie Esra (Hamila Ilter), eine in Deutschland aufgewachsene Botschaftsangestellte mit tunesischen Wurzeln, die Männer durchs Tor einlässt; so war das nicht geplant. Und dann entpuppt sich das vermeintliche Einsatzkommando als islamistische Terrormiliz, aus der Übung wird bitterer Ernst: Die Besatzer drohen mit der Erschießung aller Geiseln, wenn ihre inhaftierten Waffenbrüder nicht freigelassen werden.

Anders als in "Manila" rückt die Hauptfigur nach dem Auftakt etwas in den Hintergrund. Es gibt weiterhin Szenen aus der Botschaft, weil der gar nicht mal unsympathische Wortführer Raid (Navid Navid) der Terroristen einige markige Auftritte hat und unter anderem vor laufender Kamera die Ermordung von Botschafter Saalmüller (Hans-Jochen Wagner) simuliert. Die Bilder werden direkt ins Büro des Berliners Krisenstabes übertragen, und auf diese Ebene verlagert sich nun auch die Handlung, weil BND und Auswärtiges Amt unabhängig voneinander nach Lösungen suchen. Auf diese Weise spielt Thomas Eick (Thomas Sarbacher), Leiter des Krisenstabs und Karlas früherer Geliebter, eine deutlich größere Rolle als im "Manila"-Film. Die diplomatische Gemengelage ist allerdings ähnlich komplex. "Entführung in Manila" ist eher Politkrimi, "Das Botschaftsattentat" eher Thriller, zumal Regisseur Elmar Fischer die Spannung nicht nur in den Botschaftsszenen konsequent hoch hält: Eick, Politischer Direktor des Auswärtigen Amtes, reist nach Tunis und will die dortige Regierung dazu überreden, auf die Forderung der Terroristen einzugehen; aber die Tunesier erwarten wirtschaftliche Gegenleistungen. Um seine Verhandlungsposition zu verbessern, hat ihm der BND ein privates Video besorgt, das den gemäßigten Ministerpräsidenten in den Augen seines Koalitionspartners zur Persona non grata machen würde; Neuwahlen und vermutlich eine Amtsübernahme durch Islamisten wären die Folge.

Gerade der Realismus des vielsprachigen Films macht eine seiner Stärken aus, und das gilt nicht nur für die Schilderung der politischen Zustände in Nordafrika. Anders als in Hollywood gibt es hier keinen unerschrockenen Retter, der im Stil des "Stirb langsam"-Helden John McClane (Bruce Willis) die Geiseln im Handstreich befreit. Heroische Momente ergeben sich dennoch. Als der Botschafter eine Geisel bestimmen soll, die freigelassen wird, wählt er Nikolaus aus, weil er einen Sohn im beinahe gleichen Alter hat; aber Nikolaus weigert sich ebenso wie die muslimische Mitarbeiterin Neyla (Naomi Krauss). Der Botschafter wiederum opfert sich, als Raid diesmal ein echtes Zeichen setzen will; eine der bittersten Szenen.

Während der Anspruch der beiden Filme vergleichbar hoch ist, sorgt Fischer ähnlich wie in seinem Thriller "Unterm Radar" für eine deutlich höhere Intensität. Außerdem ist es natürlich reizvoll, dass die Titelfigur nun zur Tatenlosigkeit verurteilt ist, auch wenn Karla versucht, Esra zur Aufgabe zu überreden. Gerade in diesen Momenten hat es Joos allerdings versäumt, für eine fundiertere Auseinandersetzung mit den Motiven der Terroristen zu sorgen. Der Film stellt zwar die Frage, warum sich die ausgebildete Deutschtunesierin radikalisiert hat, aber er beantwortet sie nur unbefriedigend. Das ist umso bedauerlicher, weil Esra zur tragischen Protagonistin des Finales wird: Da innerhalb wie außerhalb der Botschaft alle Vermittlungsversuche scheitern, wird das Gebäude gestürmt; und ausgerechnet die mit einem Sprengstoffgürtel versehene Frau soll die Geiseln mit ins Jenseits nehmen.