Kinder- und Jugendmediziner bestürzt über weiter geschlossene Schulen

Osnabrück, Berlin (epd). Experten für Kinder- und Jugendmedizin zeigen sich entsetzt von den Beschlüssen von Bundesregierung und Ministerpräsidenten zur weiteren Schließung von Kindertagesstätten und Schulen. "Wir wissen mit Sicherheit, dass eine ganze Generation von Schülern infolge der jetzigen Beschlüsse ein Leben lang Nachteile erfahren wird", sagte der Generalsekretär der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin, Hans-Iko Huppertz, der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch).

"Das derzeit entstehende Bildungsdefizit bei Schülern wird dazu führen, dass sie im späteren Leben ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen und dauerhaft ein signifikant niedrigeres Einkommensniveau erreichen werden, als es möglich gewesen wäre", sagte der Professor. Ebenso bedeutend seien die psychosozialen und motorischen Defizite, die sich derzeit aufbauten.

Die Schließungen von Schulen führten unmittelbar zur Zunahme von Fettleibigkeit und Online-Spielsucht, Ängsten und Aufmerksamkeitsstörungen, fügte Huppertz hinzu. Weitergehende Nachteile erführen Familien aus prekären Verhältnissen, mit Migrationshintergrund, mit behinderten Kindern oder mit psychisch kranken Eltern.

Anhand von wissenschaftlichen Daten sei bisher nicht belegt worden, dass Schulen tatsächlich Hotspots der Pandemie mit einer sehr hohen Dunkelziffer seien, kritisierte Huppertz. Ferner seien die anfänglich geäußerten Befürchtungen, dass die in Großbritannien festgestellte Virus-Mutation überproportional häufig Kinder und Jugendliche betreffe, inzwischen überholt.

Gesichert sei hingegen, dass Schutzmaßnahmen geeignet seien, "auch unter hohen Infektionszahlen den Betrieb von Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche aufrechtzuerhalten". Auch Erfahrungen anderer Länder wie Frankreich zeigen Huppertz zufolge, dass es gelingen könne, die Infektionszahlen ohne gravierende Einschränkungen des Schulbetriebs zu senken.