Im besten Fall funktionieren Reihen und Serien wie ein Treffen mit guten Freunden: Selbst wenn man sich lange nicht gesehen hat, stellen sich umgehend die vertrauten Gefühle ein. Sind bei einer noch eher jungen Filmreihe allerdings zwölf Monate seit der letzten Episode vergangen, haben selbst Zuschauer der Auftaktfolgen mitunter Orientierungsschwierigkeiten; von allen anderen ganz zu schweigen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Jonas Waldek, von Philipp Danne betont maskulin, aber durchaus ansprechend verkörpert, ist Waldhüter im Nationalpark Sächsische Schweiz; das klingt nach Heimatfilm. Das Genre ist bei anspruchsvollen Zuschauern nicht zu Unrecht verrufen, zumal die ARD-Tochter Degeto die entsprechenden Klischees mit ihren Freitagsfilmen bis vor einigen Jahren fleißig bedient hat. Auch die Reihe "Der Ranger" passt auf den ersten Blick ins Bild. Tatsächlich hat die Reihe jedoch mehr zu bieten als bloß die übliche Kombination von Drama und Natur, selbst wenn eine Handlungswende wie die wahre Abstammung des Helden perfekt ins Schema passt. Handwerklich zum Beispiel ist der Film vorzüglich (Regie: Imogen Kimmel, Bildgestaltung: Guntram Franke), und das nicht nur wegen der in der Tat eindrucksvollen Naturaufnahmen.
Die fünfte Episode, "Junge Liebe", verdankt ihren Titel einem Pärchen. Die Beziehung von Julian Faber (Jonathan Lade) und seiner hochschwangeren Freundin Lena Mendel (Fine Sendel) steht allerdings unter einem schlechten Stern: Sein Vater Ralf (Bernd Michael Lade) und ihre Mutter Carolin (Inka Friedrich) sind zutiefst zerstritten und prozessieren gegeneinander. Außerdem sind beide gegen die Verbindung: Mutter Mendel, weil Julian wegen eines Drogendelikts vorbestraft ist, und der alte Faber, weil Carolin, seine frühere Chefin, ihm ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann. Lena ist zudem erst 16, weshalb sie das Baby nach dem Willen ihrer Mutter zur Adoption freigeben soll; also zieht sie kurzerhand zu Julian in die Waldhütte seiner Tante. Über die Renovierung des Blockhauses hat der ein Jahr ältere junge Mann allerdings seine Sozialstunden verpasst, und jetzt muss er ins Gefängnis.
Im Fernsehfilm kommt ein Drama erfahrungsgemäß selten allein. Auch Jonas und seine Freundin (Liza Tzschirner) haben ein Problem: Die Biologin hat einen Forschungsauftrag an der Uni Greifswald angenommen und den Ranger zur Fernbeziehung überredet. Im Überschwang einer Betriebsfeier hatte sie Sex mit dem Ex (Bernd-Christian Althoff), was aus Sicht von Jonas verständlicherweise einen erheblichen Schatten auf die Liebe wirft. Dabei hat er eigentlich gar keine Zeit für so was, denn im Wald treibt ein Wilderer sein Unwesen. Außerdem wollen Julian und Lena über die Grenze nach Tschechien fliehen - und Lena hat Pilze gegessen, die ihrer Schwangerschaft nicht gut bekommen.
Klingt trotzdem nach Heimatfilm, und das stimmt ja auch, zumal das Drehbuch (Rainer Ruppert) mit Hilfe einer "Star Wars"-Volte dafür sorgt, dass Jonas ausgerechnet seinem Erzfeind (Matthias Brenner) näher steht, als ihm lieb ist. Die Regie verzichtet jedoch konsequent auf jene Überzeichnungen, die dieses Genre in Verruf gebracht haben. Die Bilder sind schön anzuschauen, aber nie kitschig, selbst wenn das übermütige Spiel zweier Luchsbabys selbstredend das Herz erwärmt. Es ist zwar immer eher einfallslos, Schmusepop zur Emotionalisierung einzusetzen, doch die Konflikte sind realitätsnah und entsprechend realistisch erzählt. Wenn der Ranger und sein Kollege (Jörg Witte) dem Wilderer auflauern, wird "Junge Liebe" sogar spannend; zumindest für einen Familienfilm. Auch die Leistungen der Schauspieler sind ausnahmslos sehenswert. Gerade Fine Sendel und Jonathan Lade (auch im wahren Leben der Sohn von Bernd Michael Lade) machen ihre Sache vorzüglich. Für die ungleich erfahreneren Mitglieder des Ensembles gilt das ebenfalls, selbst wenn Heike Jonca (als Mutter Waldek) das eine oder andere Mal von der Regie im Stich gelassen worden ist. Die Dritte im Familienbunde, Rike Waldek (Eva-Maria Grein von Friedl), ist übrigens die Schwiegertochter, hat allerdings zumindest im ersten der beiden neuen Filme nicht viel zu tun. Den zweiten zeigt das "Erste" nächsten Freitag.