Berlin, São Paulo (epd). Nach langen politischen Streitigkeiten hat Brasilien mit dem Impfen gegen das Coronavirus begonnen. Die Nationale Arzneimittelagentur Anvisa genehmigte am Sonntag (Ortszeit) eine Notzulassung der Impfstoffe von Astrazneca und der Universität Oxford und von Coronavac des chinesischen Herstellers Sinovac. Anvisa forderte bis zur endgültigen Zulassung noch weitere wissenschaftliche Gutachten. Coronavac wird in Basilien produziert.
Allerdings ist die Datenlage unübersichtlich. Einer Untersuchung brasilianischer Wissenschaftler zufolge ist der Impfstoff Coronavac nur zu 50,4 Prozent wirksam. Davor war noch von einer Wirksamkeit von 78 Prozent berichtet worden. In der neuen Studie zu Coronavac seien Probanden berücksichtigt worden, die "eine sehr milde Form der Infektion" entwickelt hätten, sagte der Leiter des Forschungsinstitutes Butantã in São Paulo, Ricardo Palacios. Insgesamt sechs Millionen produzierte Dosen des Impfstoffes seien einsatzbereit. Bis Jahresende sollen es 21 Millionen sein.
Dem Impfstart war ein Streit zwischen Präsident Jair Bolsonaro und den Gouverneuren der Bundesstaaten vorausgegangen. Bolsonaro, der selbst eine Corona-Infektion überstanden hat, betonte immer wieder, dass keine Eile zum Impfen bestehe und schürte Ängste wegen unbekannter Nebenwirkungen. Das Oberste Gericht hatte Bolsonaro widersprochen und die Impfungen für "obligatorisch" erklärt. Zwar könnten die Menschen nicht gezwungen werden, die Behörden könnten aber Bußgelder gegen Impfgegner verhängen, hieß es.
Vor allem der Gouverneur des bevölkerungsreichsten Bundesstaates São Paulo, João Doria, macht sich für Coronavac stark. Mehrfach kritisierte er Bolsonaro wegen dessen Verharmlosung der Corona-Pandemie. Unmittelbar nach der Genehmigung durch Anvisa startet São Paulo mit dem Impfen von Gesundheitspersonal in Krankenhäusern.
Bolsonaro zettelte in den sozialen Medien eine Kampagne gegen die "chinesische Impfung" an, woraufhin die Zahl der Impfgegner drastisch stieg. Die brasilianische Regierung bevorzugt den Impfstoff von Astrazeneca, der in Indien produziert wird und per Flugzeug ins Land gebracht werden soll. Zwei Millionen Dosen hat Gesundheitsminister Eduardo Pazuello geordert. In Brasilien leben rund 210 Millionen Menschen.
Wie auch Europa erlebt Brasilien derzeit eine zweite Welle der Pandemie. Vor allem in der Amazonas-Metropole Manaus ist die Situation dramatisch. Das Gesundheitswesen ist kollabiert, weil es an Sauerstoff zur Beatmung der Corona-Patienten fehlt. Rund 210.000 Menschen sind seit Beginn der Pandemie in Brasilien an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben.