Berlin (epd). Vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen zur Corona-Krise am Dienstag wird verstärkt über eine Verschärfung der Pandemie-Regeln diskutiert. Für eine umfassende Ausweitung der Maßnahmen sprach sich unter anderen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) aus: "Jetzt lieber einmal richtig - anstatt eine Endlosschleife bis in den Sommer hinein." Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte einen "wirklich harten Lockdown". Auf Kritik stießen die Rufe nach härteren Einschränkungen bei der FDP. Sie forderte eine Sondersitzung des Bundestages zu den weiteren Maßnahmen.
Am Sonntagmorgen meldete das Robert Koch-Institut (RKI) 13.882 neue Corona-Infektionen binnen 24 Stunden - das waren 3.064 weniger als vor einer Woche. Zudem wurden 445 weitere Tote verzeichnet. Die Sieben-Tages-Inzidenz, die angibt, wie viele Menschen sich binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner mit dem Virus angesteckt haben, lag bei 136,0. Ziel der Politik ist eine Inzidenz von unter 50, um Infektionsketten nachverfolgen zu können.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte, die Entwicklung scheine sich zu stabilisieren und bewege sich in die richtige Richtung. Allerdings sei eines "sehr sehr klar: Wir werden nicht am 1. Februar alle Beschränkungen aufheben können." Ob und in welchem Umfang es zusätzliche Maßnahmen braucht, werde jetzt diskutiert, sagte er am Samstag.
Brinkhaus sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag), insbesondere die hohe Ansteckungsrate der neuen Mutation sei beunruhigend. "Wir müssen versuchen, diese neuen Virus-Varianten durch konsequente Maßnahmen rechtzeitig einzudämmen."
Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach sagte der "Rheinischen Post" (Samstag), einzelne Verschärfungen wie eine FFP2-Maskenpflicht oder mehr Homeoffice würden die anhaltend hohen Infektionszahlen kaum beeinflussen. "Deswegen bin ich für die Alternative: einen wirklich harten Lockdown, der aber nicht so lange ginge." Dann wären auch die nicht lebenswichtigen Betriebe dicht, die Kontaktbeschränkungen würden noch einmal deutlich verschärft.
Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kritisierte hingegen die Überlegungen. Es sei nicht mehr rational zu erklären, sagte der Bundestags-Vizepräsident den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag): "Vor ein paar Tagen hieß es noch, die Zahlen vom RKI seien wegen der Feiertage noch einige Zeit nicht aussagekräftig, nun wird trotz sinkender Zahlen und größer werdenden Intensivkapazitäten über Verschärfung geredet." Mit alternativen Maßnahmen müsse eine Balance zwischen Gesundheitsschutz und Freiheitswahrnehmung hergestellt werden.
FDP-Chef Christian Lindner verlangte, den Bundestag einzubinden. "Wir brauchen eine Sondersitzung des Bundestages, weil über weitgehende Freiheitseinschränkungen das Parlament debattieren muss", erklärte er am Sonntag in Berlin. Die FDP wolle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wissen, auf welche Datengrundlage man sich stütze und ob auch mildere Mittel erwogen würden.
Nach einem Bericht der "Rheinischen Post" (Montag) fordert die FDP die Sondersitzung für Dienstag. Demnach haben die Liberalen in einem Brief die Spitzen der anderen Fraktionen mit Ausnahme der AfD um Unterstützung gebeten. Eine Sondersitzung muss einberufen werden, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten sie beantragen. Dem Zeitungsbericht zufolge hat die Unionsfraktion die FDP-Forderung zurückgewiesen.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, betonte unterdessen, dass Verschärfungen nicht zu einem Besuchsverbot in Pflegeheimen führen dürften. Auch wenn für Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung eine Corona-Erkrankung ein höheres Risiko darstelle, dürfe die Selbstbestimmung der Bewohnerinnen und Bewohner auch jetzt nicht infrage gestellt werden, sagte Westerfellhaus den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).
Bund und Länder beraten schon am kommenden Dienstag wieder über die weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Ursprünglich war die nächste Beratung erst für den 25. Januar vorgesehen.
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