Berlin (epd). Aus der Wissenschaft werden Forderungen nach einem Lieferkettengesetz in Deutschland laut. Mehr als 70 Ökonominnen und Ökonomen sprachen sich in einem am Mittwoch veröffentlichten Aufruf für ein solches Regelwerk aus, das große deutsche Unternehmen in die Pflicht nimmt, auch bei ihren ausländischen Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzkriterien zu achten. In der Bundesregierung sorgt das Thema seit Monaten für Streit: Während das Arbeitsministerium gemeinsam mit dem Entwicklungsministerium Eckpunkte erarbeitet hat, stellt sich das Wirtschaftsministerium quer.
Den Aufruf unterzeichnet hat unter anderem die Ökonomin Elisabeth Fröhlich, Präsidentin der CBS International Business School. Sie forderte, dass die Wirtschaft neu gedacht werden müsse: Es bedürfe mehr Transparenz bezüglich sozialer und ökologischer Risiken. Dadurch gäbe es auch bessere Wettbewerbsvoraussetzungen für die schwächsten Glieder in der Kette.
Unterzeichner Hansjörg Herr betonte, bei Arbeit und Natur könne man den Markt nicht frei laufen lassen, eine Regulierung sei nötig. Er wies dabei auf "Macht-Asymmetrien" in Lieferketten hin, wo einem Nachfrager oftmals viele Anbieter gegenüberstünden, die dann ihre Preise auf ein Minimum reduzieren müssten.
Im Aufruf heißt es: "Am Weltmarkt haben sich Lieferketten durchgesetzt, die zu einer Güterproduktion mit erheblichen sozialen und ökologischen Kosten führen." Ein wirkungsvolles Lieferkettengesetz müsse zu Verhaltensänderungen in den Unternehmen führen und bei Verstößen "ordnungs- und haftungsrechtliche Konsequenzen" einschließen.
Ein strenges Lieferkettengesetz hätte zur Folge, dass deutsche Firmen für ausbeuterische Praktiken ihrer ausländischen Geschäftspartner haftbar sind. Nach den bisherigen Plänen von Arbeits- und Entwicklungsministerium würde es aber erst für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gelten. Umfragen haben ergeben, dass noch nicht einmal ein Fünftel dieser deutschen Firmen hinreichend menschenrechtliche Anforderungen erfüllen.