Ausnahmen durch die Hintertür
Geimpften Reiserückkehrern kann mancherorts Quarantäne erspart bleiben
Während der Debatte über mögliche Vorteile für Menschen, die schon gegen Corona geimpft sind, sorgen Quarantäneverordnungen für Verwirrung. Der Bund will offenbar Ausnahmen für geimpfte Reiserückkehrer. Die Länder setzen das zum Teil schon um.
11.01.2021
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Von Corinna Buschow (epd)

Berlin (epd). Eine "Impfpflicht durch die Hintertür" will die Politik soweit möglich vermeiden. Gemeint sind damit Vorteile beim Konzert- oder Restaurantbesuch, im Fitnessstudio oder bei einer Flugreise für diejenigen, die schon eine Corona-Impfung erhalten haben. Durch die Hintertür deuten sich jetzt aber doch erste Ausnahmen für Immunisierte an. Die noch nicht vom Bundeskabinett beschlossene Musterquarantäneverordnung sieht im Entwurf vor, dass Geimpfte und Covid-19-Genesene nach einer Rückkehr aus Risikogebieten nicht mehr der Test- und Quarantänepflicht unterliegen. Einzelne Bundesländer haben die Ausnahme schon vorausgreifend beschlossen, darunter Sachsen-Anhalt. Andere Länder sehen das skeptisch, wie eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) ergab.

In Hamburg und Thüringen werden nach Auskunft der zuständigen Ressorts keine Ausnahmen für Geimpfte und Covid-19-Genesene gemacht. Zur Begründung hieß es in Hamburg, es liege derzeit noch kein hinreichender Beleg dafür vor, dass eines der beiden Merkmale sicher vor einer Infektiosität schütze. Das Thüringer Sozialministerium erklärte ebenfalls, es sehe noch Klärungsbedarf. Am Freitag kritisierte Niedersachsen als erstes Bundesland öffentlich den Vorschlag des Bundes. "Beide Ausnahmen würden mal eben so durch eine Änderung der Quarantäneverordnung Privilegien schaffen für Menschen, die bereits eine Corona-Infektion hinter sich haben oder geimpft sind", erklärte die dortige Regierungssprecherin Anke Pörksen.

Die Bundesländer verstehen den Verordnungsentwurf, den sie am vergangenen Mittwoch erhalten haben, offenbar als bereits geltend. Der Sprecher von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Hanno Kautz, betonte am Montag in Berlin, er sei noch Gegenstand regierungsinterner Beratungen. Der Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) wiederholte dessen Haltung, wonach es keine "Privilegien" für Geimpfte und damit auch keine "Impfpflicht durch die Hintertür" geben solle.

Zum Inhalt der Verordnung äußerten sich beide Sprecher nicht mit Verweis auf die Verhandlungen. Unklar blieb damit auch, warum die Ausnahmen für Geimpfte im Entwurf, der dem epd vorliegt, überhaupt enthalten sind. Anlass für die Überarbeitung der Musterquarantäneverordnung ist der Beschluss der Runde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche, der künftig doppelte Tests für Reiserückkehrer - nämlich vor und nach der Einreise nach Deutschland - vorsieht.

Ausnahmen für Geimpfte haben die Regierungschefs und -chefinnen nicht beschlossen. Ihr Beschluss sah aber vor, dass die Musterquarantäneverordnung, die eine Empfehlung für die Länder im Sinne möglichst bundesweit einheitlicher Regelungen darstellt, angepasst und bereits zum 11. Januar von den Ländern umgesetzt werden soll. Möglicherweise hat der enge Zeitplan nun dazu geführt, dass die neuen Regeln - samt eingeflochtener Ausnahmen - voreilig beschlossen wurden.

Im Ergebnis droht nun auch bei den Quarantäneregeln ein Flickenteppich. Während das Kabinett in Sachsen-Anhalt die Ausnahmen schon beschlossen hat und andere Länder sie ablehnen, setzt Baden-Württemberg sie nur zum Teil um. Nach Angaben des Sozialministeriums in Stuttgart gilt dort seit Montag zwar keine Ausnahmen für Geimpfte. Das Bundesland sieht aber eine Ausnahme vor für diejenigen, die im vergangenen halben Jahr eine Infektion durchgemacht haben. Ob die in den Ländern bereits beschlossenen Quarantäne-Ausnahmen Bestand haben, auch wenn das Bundeskabinett sie noch aus der Verordnung streicht, konnten das Bundesgesundheits- und -innenministerium am Montag nicht beantworten.

epd co/lob/lbw/lnh mih