Berlin (epd). Sozialverbände und der Deutsche Gewerkschaftsbund haben die Ankündigung der Grünen begrüßt, sich für eine Überwindung von Hartz IV durch eine Garantiesicherung für das Existenzminimum einzusetzen. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel erklärte am Freitag in Berlin: "Mit so einem Konzept könnte die Grundsicherung ihren Schrecken und ihren stigmatisierenden Charakter verlieren."
Die Diakonie Deutschland erklärte, die nächste Bundesregierung werde sich einer Reform des Hartz-IV-Systems stellen müssen. Dabei müssten "Respekt und Ermutigung endlich Wirklichkeit werden", erklärte Vorstandsmitglied Maria Loheide. Der grüne Vorschlag berücksichtige wesentliche Anforderungen eines solchen Reformkonzepts, wie es auch die Diakonie vorgelegt hatte.
Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sprach von einem "großen Wurf". Der grüne Vorschlag eröffne eine echte Reformperspektive, urteilte Schneider. Im Einzelnen begrüßte er die vorgeschlagene Erhöhung der Regelleistungen, die Abschaffung der Sanktionen und die Zurücknahme überzogener Kontrollen, etwa bei der Vermögensprüfung.
Die grüne Fraktion will ihr Konzept in der kommenden Woche in den Bundestag einbringen und damit auch in den Wahlkampf zur Bundestagswahl im Herbst ziehen, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Anja Hajduk sagte. Die Grundsicherung müsse umfassend reformiert und in eine arbeitsmarktpolitische Gesamtstrategie zur Eindämmung des Niedriglohnsektors eingebettet werden. Man habe Lösungen erarbeitet, die schrittweise umsetzbar und finanzierbar seien. Die Mehrkosten bezifferte Hajduk mit ein- bis niedrigen zweistelligen Milliardenbeträgen pro Jahr.
Im Kern wollen die Grünen den Regelsatz schrittweise auf gut 600 Euro im Monat erhöhen. Bei der derzeitigen Höhe von 446 Euro für einen alleinstehenden Erwachsenen sei nicht einmal eine minimale Teilhabe am gesellschaftlichen Leben möglich, argumentieren sie. Die Sanktionen sollen abgeschafft und die Vermögensprüfung durch eine einfache Erklärung der Antragsteller ersetzt werden, dass sie über keine höheren Ersparnisse verfügen. Diese Erklärung soll dem Konzept zufolge nur bei einem begründeten Verdacht falscher Angaben überprüft werden. Der Vorschlag kommt dem gegenwärtigen Verfahren nahe, das Solo-Selbstständigen den Zugang zu Hartz-IV-Leistungen während der Corona-Pandemie erleichtert.
Das Konzept für eine grüne Garantiesicherung sieht außerdem vor, die Grundsicherung auch dann jeweils individuell zu gewähren, wenn Paare in einem Haushalt leben, und strebt bessere Zuverdienstmöglichkeiten für Hartz-IV-Aufstocker an. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Fraktion, Wolfgang Strengmann-Kuhn, verwies darauf, dass aktuell mehr Erwerbstätige als Langzeitarbeitslose Hartz-IV-Leistungen beziehen. Deren Situation müsse verbessert werden.
Die Grünen warfen der Koalition erneut vor, in der Corona-Pandemie die Ärmsten im Stich zu lassen. Sie profitierten nicht von den Milliardenhilfen. Wie auch Sozialverbände fordern die Grünen einen Aufschlag auf die Sozialleistungen, so lange die Krise andauert.