Berlin (epd). Eine Verlängerung der Corona-Beschränkungen über den 10. Januar hinaus wird immer wahrscheinlicher: Laut einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) einigten sich die Länder bereits vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen am kommenden Dienstag auf einen längeren Lockdown. Die Chefs der Staatskanzleien seien sich allerdings nicht einig darüber, ob dies zunächst für zwei oder drei Wochen beschlossen werden sollte. Auch beim Umgang mit Schulen und Kitas herrscht Uneinigkeit.
Die derzeitigen zum 16. Dezember in Kraft getretenen Kontaktbeschränkungen gelten noch bis zum 10. Januar. Ziel der bundesweiten Einschränkungen ist es, die Zahl der Corona-Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner auf maximal 50 innerhalb einer Woche zu senken.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte "RTL Aktuell" (Samstag), angesichts der immer noch zu hohen Zahlen sei es notwendig, die Einschränkungen, zu verlängern. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine Fortsetzung des Lockdowns um weitere drei Wochen. "Vorschnelle Lockerungen würden uns wieder weit zurückwerfen", sagte er der "Bild am Sonntag".
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Thüringens Regierungschef Bodo Ramelow (Linke) und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprachen sich in der "Welt am Sonntag" ebenfalls für eine Verlängerung des Lockdowns aus. Tschentscher sagte der Zeitung allerdings auch, er erwarte, "dass der Bund darlegt, auf welcher wissenschaftlichen Grundlage beziehungsweise Datengrundlage er eine weitere pauschale Schließung von Kitas und Schulen fordert".
Spahn hält eine weitere Schließung von Schulen und Kitas für richtig. Das sei zwar für Schüler und Eltern schwierig. Es sei jedoch "für alle leichter, jetzt eine Woche länger die Schulen zu zu haben, als sie aufzumachen und dann irgendwann in einigen Wochen wieder vor Debatten zu stehen". Auch Söder sprach sich für eine längere Schließung von Kitas und Schulen aus.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach hält dagegen eine Öffnung von Kitas und Grundschulen ab Mitte Januar für denkbar. "Ich kann mir vorstellen, dass es epidemiologisch vertretbar wäre, Kitas und Grundschulen in der zweiten Januarhälfte zu öffnen", sagte Lauterbach der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstag). Voraussetzung dafür wäre, dass alle anderen Klassenstufen geteilt werden und wechselnd Präsenz- und Digitalunterricht erhalten oder der Präsenzunterricht ganz ausgesetzt wird.
Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) schließt beim Präsenzunterricht an Schulen einen Sonderweg des Freistaats nicht aus. "Bildung ist Ländersache, es kann durchaus sein, dass Bayern am Ende eigene schulpolitische Vorstellungen umsetzt", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" (Montag). Angesichts der aktuellen Corona-Infektionszahlen gehe er nicht von einem allgemeinen Präsenzunterricht ab dem 11. Januar aus, so Piazolo.
Der Deutsche Lehrerverband und die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin riefen in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, längere Schulschließungen zu vermeiden und Schulen zugleich besser zu schützen. Der Deutsche Realschullehrerverband forderte klare Regelungen für den Unterricht. Der Bundesvorsitzende Jürgen Böhm sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Sonntag), die Forderungen lauteten: "Wechselunterricht ab einer Inzidenz von 50, Distanzunterricht ab 100, eindeutige Abstandsregeln auch an Schulen." Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sprach sich im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks dafür aus, die Schulferien zu verlängern.
Ärztevertreter warnten, die Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems sei noch nicht abgewendet. Sie drängen deshalb auf eine Verlängerung des Lockdowns. Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Susanne Johna, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag), das Gesundheitssystem brauche dringend eine Entlastung, die nur durch eine Verlängerung der Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung zu erreichen sei. Ähnlich äußerte sich der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt.
Der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Uwe Janssens, rät dazu, "bis zu einem Inzidenzwert von unter 25 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche keine Lockerungen in Aussicht zu stellen", wie er der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Samstag) sagte. SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach forderte ebenfalls, die Zielmarke für ein Ende des Lockdowns auf bundesweit 25 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu verschärfen.
Der Berliner Virologe Christian Drosten erwartet hinsichtlich der Pandemie ein herausforderndes erstes Halbjahr 2021. "Ich schaue schon optimistisch auf das neue Jahr, aber ich glaube, dass die erste Jahreshälfte sehr kompliziert werden wird", sagte Drosten der "Berliner Morgenpost" (Sonntag). Er rechne damit, dass ab der zweiten Jahreshälfte eine Entspannung eintreten könnte - vorausgesetzt, es würden in den ersten sechs Monaten sehr viele Personen geimpft.
epd lde/tz