Der "Ersatzautor" hat schon mit seinen sehenswerten "Nord bei Nordwest"-Beiträgen "Frau Irmler" sowie "Ein Killer und ein Halber" bewiesen, dass er den Geist der Reihe ebenso gut zu treffen. Das gilt auch für "Conny & Maik", zumal Holle mehrere Ebenen geschickt miteinander verknüpft. Seine wichtigste Aufgabe war allerdings die Fortsetzung des Annäherungsprozesses zwischen dem Schwanitzer Revierleiter Hauke Jacobs (Hinnerk Schönemann) und seiner neuen Kollegin.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die beiden hatten einen denkbar schlechten Start, weil der Hauptkommissar mit der Vorgängerin von Hannah Winter (Jana Klinge) auch eine gute Freundin verloren hat. Diesmal ist es die Polizistin, die von ihrer Vergangenheit eingeholt wird, und nun wird auch klar, warum sie fast fluchtartig aus Kiel wegwollte: Sie hatte einem Informanten aus der Drogenszene zugesichert, dass ihm nichts zustoßen werde; kurz drauf ist der Mann ermordet worden. Seither driftet sein jüngerer Bruder Maik (Slavko Popadic) mit seinem lilafarbenen Pontiac-Cabrio haltlos durchs Leben; außerdem hat er bei einem Typen in die Kasse gegriffen, bei dem man nicht mal Schulden haben möchte. Als das Schicksal den jungen Mann nach Schwanitz führt, kommt es zur Titelkonstellation: Die junge Conny (Luisa-Céline Gaffron) sieht in dem Kleinganoven die Chance, aus ihrem Dasein auszubrechen. Sie führt mit ihrer älteren Schwester (Angelina Häntsch) auf dem vom verstorbenen Vater geerbten Bauernhof ein wenig ersprießliches Dasein: Der Hof ist hochverschuldet; ein dringend benötigter Kredit droht zu platzen, als es zu einem Seuchenvorfall kommt. Außerdem gibt Friederike ihrer kleinen Schwester für alles, was schiefgeht, die Schuld; und es geht eine Menge schief.
Im letzten Film ("Der Anschlag") hatte Jacobs alle Hände voll zu tun, um ein Attentat auf die Ministerpräsidentin zu verhindern, und musste seine Tierarztpraxis notgedrungen vernachlässigen. Diesmal rückt diese Ebene wegen des Vorfalls auf dem Hof der Barrow-Schwestern (der Nachname ist eine weitere Anspielung auf Bonnie und Clyde) zwar wieder stärker in den Vordergrund, aber der Veterinär hat erneut ganz andere Probleme: Er fährt zufällig vorbei, als Maik, der zuvor Wagners Waffe geklaut hat, die Tankstelle von Mehmet Ösker (Cem Ali Gültekin) überfällt. Es kommt zum Schusswechsel, bei dem Ösker schwer verletzt und ein Kunde getötet wird. Die Verfolgungsjagd endet mit einem Unfall; Wagner kann ihren bewusstlosen Chef gerade noch aus dem Wagen zerren, bevor das Auto in einem Feuerball aufgeht.
Regisseurin Nina Wolfrum – sie hat auch die letzte Episode gedreht – hat den Unfall ziemlich spektakulär inszeniert, weshalb die Bilder später in einer ironischen Variation nochmals zum Einsatz kommen: Jacobs muss mit Schädelhirntrauma und Gedächtnislücken ins Krankenhaus. Bettnachbar Ösker, der das komische Element der Reihe personifiziert, schaut sich im Fernsehen einen der deutschen Karl-May-Klassiker aus den Sechzigerjahren an. Durch Schüsse aus dem Western kehrt Jacobs’ Erinnerung zurück; zur berühmten "Winnetou"-Melodie von Martin Böttcher segelt das sich in der Luft überschlagende Auto vor dem geistigen Auge des Kommissars ein zweites Mal majestätisch durch die Luft. Weil sich ihm nun schlagartig die Zusammenhänge erschließen, hat er keine Zeit mehr für die eigentlich erforderliche zweiwöchige Bettruhe. Schon der stimmungsvolle Auftakt des Films ist optisch bemerkenswert, als die Kamera (Uwe Neumeister) über die Landschaft gleitet und eindrucksvolle Nebelbilder zeigt. Für die passenden Kompositionen sorgte wie zuletzt Stefan Hansen, der viel mit akustischer Gitarre arbeitet, aber die Verfolgungsjagd auch mit angemessener Action-Musik unterlegt.
Von ähnlicher Qualität wie die Bildgestaltung und das Drehbuch, das immer wieder durch sympathische kleine Einfälle erfreut – Tierarztassistentin Jule (Marleen Lohse) deponiert ihre Sonnenblume beim Krankenbesuch kurzerhand in der Urinflasche - ist Wolfrums Arbeit mit den Schauspielern; Slavko Popadic und Luisa-Céline Gaffron brauchen sich mit ihren Leistungen nicht hinter dem Hauptdarsteller verstecken. Die Darsteller der verbrecherischen Nebenfiguren, Andreas Anke und Roland Bonjour, sind zwar kaum bekannt, aber sehr treffend besetzt. Schönemann wiederum hat seine Rolle in den beiden ersten Filmen der Trilogie neu erfunden, auch wegen des Vollbarts, der ihn älter und reifer als seine Rolle in der ZDF-Reihe "Marie Brand" wirken lässt; das Leben hat seine Spuren hinterlassen, und das nicht nur im Gesicht von Hauke Jacobs. Das Shakespeare-Ende dieses Falls wird nicht dazu beitragen, die Sorgenfalten zu glätten, selbst wenn der Film versöhnlich endet, weil sich Jacobs, Jule und Hannah Wagner endgültig zu einem neuen Trio gefunden haben.